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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Baumwollzeug, aber nicht geschmacklos gekleidet. Sein langes blauschwarzes Haar hatte er in Zöpfe geflochten. Das hagere Gesicht war bemalt. Die Farben waren so dick aufgetragen, daß sich die natürlichen Züge überhaupt nicht mehr erkennen ließen. In seinem Gürtel steckte ein Revolver. Sonst war keine Waffe an ihm zu sehen. In der Hand hielt er den Schlagstock, der einem Hockeystock ähnlich geformt war. Nicht weit von ihm stand seine Gruppe indianischer Stockballspieler.
    »Was hältst du von ihm?« drang Pitt in den Neger.
    »Weiß nicht, meine Freunde, wie Jack, der Ponka, spielen will. Wenn er hat Laune, gut zu spielen, bin ich besiegt. Hat er Laune schlecht, treibe ich den Ball in sein Tor.«
    »Laune gut! Laune schlecht! Laune schlecht! Laune gut! Sollen wir erst um die Laune eines Indsman würfeln?! Kann dem Kerl keiner Bescheid sagen, wie er zu spielen hat?!«
    Bobby, der Athlet, zog die Schultern bis zu den Ohren hoch. »Kann ihm keiner Bescheid sagen! Jack, der Ponka, tut, was ihm paßt. Soll ich ihn bitten, einen Tip zu geben?«
    »Ihr beiden Captains müßt was miteinander ausmachen!« schlug Pitt vor. »Den Gewinn schöpfen wir zusammen ab!«
    Der Neger wiegte den Kopf und zeigte die Perlenzähne. »Indianer immer halsstarrig! Aber ihr seid meine Freunde! Ich werde versuchen, mit Ponka zu reden!«
    So ging die Gruppe, die nun schon aus sechs Mann bestand, am Rande des Spielfelds entlang zur anderen Partei hinüber.
    Der Ponka schaute den Herankommenden entgegen. Er hatte den Spielstock in der Rechten und wippte leicht damit. Die blauschwarze Bemalung machte es unmöglich, einen Ausdruck in seinem Gesicht wahrzunehmen. Aus dem Spielen seiner Hand, aus der Haltung seiner Schultern, aus der halben Wendung desKopfes sprachen aber betonter Hochmut und eine nur nachlässige Aufmerksamkeit.
    »Jack!« redete Tschapa Kraushaar den Indianer an. »Hier bitten fünf ehrenwerte Gentlemen um deine Aufmerksamkeit! Sie möchten auf einen von uns wetten. Bißchen was gewinnen, bißchen lustig leben, ehe die vier da wieder zum Niobrara reiten müssen – willst du ihnen einen Rat geben?«
    Der Ponka hörte auf, mit dem Spielstock zu wippen, und blieb einen Augenblick unbeweglich. Pitt schaute in das blauschwarz bemalte Gesicht, in diese Maske eines Menschen, hinter der selbst die Augen unter gesenkten Lidern verborgen blieben. Es rieselte ihm plötzlich kalt über den Rücken, und er griff unwillkürlich nach seinem Amulett. Aber er hatte nicht Zeit, weiter darüber nachzudenken, was ihn erschreckt hatte, denn der Indianer antwortete leise: »Bobby wird Sieger sein.«
    Beim letzten Wort hatte er sich schon abgewandt, ließ die sechs stehen und ging daran, seine Spielergruppe einzuteilen.
    Die Rauhreiter schauten sich verblüfft an.
    »Das hat ja schnell funktioniert!« meinte der kleine Josef. »Hier auf Randall geht wohl alles wie geölt! Gleich nach Sonnenaufgang beim Leutnant empfangen – Verstärkung schon zugesagt – und jetzt auf Anhieb der Tip erteilt! Was hat denn der Ponka für einen Vorteil dabei, wenn er dich gewinnen läßt, Bobby?«
    Der Neger lächelte überlegen. »Jack, der Ponka, hat gute Laune und ist Bobbys Freund!«
    »Das versteh, wer will!«
    »Los, los! Wir müssen jetzt schnell sein!« flüsterte Pitt. »Überall erzählen, das Jack, der Ponka, siegt! Dann steigt unsere Quote, wenn wir auf Bobby wetten. Bobby, du bist Gold wert!« Pitts offene Nasenlöcher wirkten in diesem Augenblick freundlich. Er roch Geld.
    Die sechs verteilten sich, um den Wettschwindel zu organisieren. Kurz ehe das Spiel begann, trafen sie sich wieder und legten alle Geldbeträge zusammen, die sie nur irgend aufbringen konnten. Louis, der Canadier, wurde als gemeinsamer Wettbankier gewählt. Bobby leistete eine erstaunlich hohe Einlage.
    »Bobby Kraushaar!« sagte Tom überrascht und strafend. »Woher hast du soviel Geld? Bist du unter die Diebe gegangen?«
    »Tom ohne Hut und ohne Schuhe! Ich habe ein wenig gehandelt.«
    »Das hast du ja schnell gelernt.«
    Louis, der Canadier, ging mit den gesammelten Wetteinsätzen nicht zu dem zahnlosen Ben, über den sich die Rauhreiter geärgert hatten, sondern zahlte den Gesamtbetrag bei Johnny, dem großen fetten Händler mit dem schütteren Haar, ein, und zwar im letzten Augenblick vor Beginn des Spiels, damit sich die anderen Wetter nicht mehr danach richten konnten.
    Der Neger begab sich zu seiner Mannschaft, die aus dreißig Mann bestand. Das Spiel setzte ein. Der harte
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