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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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muss notwendig da sein.
    Anton . Aber ich sage Ihnen, dass sie bei so uebeln Wetter vor zehn Uhr nicht kommen kann.
    Damis . Gibst du abermals eine Stunde zu? Kurz, geh! und koemmst du leer wieder, so sieh dich vor!
    Anton . Wenn ich diese Nacht nicht sanft schlafe, so glaube ich zeitlebens nicht mehr, dass die Muedigkeit etwas dazu helfen kann. (Gehet ab.)
    Siebenter Auftritt
    Damis . Valer.
    Valer . So? anstatt zu antworten, reden Sie mit dem Bedienten?
    Damis . Verzeihen Sie, Valer; Sie haben also mit mir gesprochen? Ich habe den Kopf so voll; es ist mir unmoeglich, auf alles zu hoeren.
    Valer . Und Sie wollen sich auch bei mir verstellen? Ich weiss die Zeit noch sehr wohl, da ich in ebendem wunderbaren Wahne stand, es liesse gelehrt, so zerstreut als moeglich und auf nichts als auf sein Buch aufmerksam zu tun. Doch glauben Sie nur, der muss sehr einfaeltig sein, den Sie mit diesen Gaukeleien hintergehen wollen.
    Sechster Auftritt
    49
    Der junge Gelehrte
    Damis . Und Sie muessen noch einfaeltiger sein, dass Sie glauben koennen, ein jeder Kopf sei so gedankenleer als der Ihrige. Und verdient denn Ihr Geschwaetz, dass ich darauf hoere? Sie haben ja gewonnen, sobald Chrysander Julianen zu zwingen aufhoert; Sie sind ja berechtiget, mich zu uebergehen—
    Valer . Das muss doch eine besondere Art der Zerstreuung sein, in welcher man des andern Reden gleichwohl so genau hoeret, dass man sie von Wort zu Wort wiederholen kann.
    Damis . Ihre Spoetterei ist sehr trocken. (Sieht wieder auf sein Buch.) Valer . Doch aber zu empfinden?—Was fuer eine Marter ist es, mit einem Menschen von Ihrer Art zu tun zu haben? Es gibt deren wenige—
    Damis . Das sollte ich selbst glauben.
    Valer . Es wuerden sich aber mehrere finden, wenn selbst—
    Damis . Ganz recht; wenn die wahre Gelehrsamkeit nicht so schwer zu erlangen, die natuerliche Faehigkeit dazu gemeiner und ein unermuedeter Fleiss nicht so etwas Beschwerliches waeren—
    Valer . Ha! ha! ha!
    Damis . Das Lachen eines wahren Idioten!
    Valer . Sie reden von Ihrer Gelehrsamkeit, und ich, mit Vergebung, wollte von Ihrer Torheit reden. Hierin, meinte ich, wuerden Sie mehrere Ihresgleichen finden, wenn selbst diese Torheit ihren Sklaven nicht zur Last werden muesste.
    Damis . Verdienen Sie also, dass ich Ihnen antworte? (Sieht wieder in sein Buch.) Valer . Und verdienen Sie wohl, dass ich noch Freundes genug bin, mit Ihnen ohne Verstellung zu reden?
    Glauben Sie mir, Sie werden Ihre Torheiten bei mehreren Verstande bereuen—
    Damis . Bei mehreren Verstande? (Spoettisch.)
    Valer . Werden Sie darueber ungehalten? Das ist wunderbar! Ihr Koerper kann, Ihren Jahren nach, noch nicht ausgewachsen haben, und Sie glauben, dass Ihre Seele gleichwohl schon zu ihrer moeglichen Vollkommenheit gelanget sei? Ich wuerde den fuer meinen Feind halten, welcher mir den Vorzug, taeglich zu mehrerm Verstande zu kommen, streitig machen wollte.
    Damis . Sie!
    Valer . Sie werden so spoettisch, mein Herr Nebenbuhler—Doch da ist sie selbst! (Laeuft ihr entgegen.) Ah, Juliane—
    Achter Auftritt
    Juliane . Damis. Valer.
    Juliane . Ach, Valer, welche glueckliche Veraenderung!—
    Achter Auftritt
    50
    Der junge Gelehrte
    Damis (indem er sich auf dem Stuhle umwendet) . Die Ehre, Sie hier zu sehen, Mademoiselle, habe ich ohne Zweifel einem Irrtume zu danken? Sie glauben vielleicht, in Ihr Schlafzimmer zu kommen—
    Juliane . Dieser Irrtum waere unvergeblich! Nein! mein Herr, es geschieht auf Befehl Ihres Herrn Vaters, dass ich diesen heiligen Ort betrete. Ich komme, Ihnen einen Kauf aufzusagen und mich bei Ihrer Muse zu entschuldigen, dass ich beinahe in die Gefahr gekommen waere, ihr einen so liebenswuerdigen Geist abspenstig zu machen.
    Valer . O wie entzueckt bin ich, schoenste Juliane, Sie auf einmal wieder in Ihrer Heiterkeit zu sehen.
    Damis . Wenn ich das Gewaesche eines Frauenzimmers recht verstehe, so kommen Sie, ein Paktum aufzuheben, welches doch alle Requisita hat, die zu einem unumstoesslichen Pakto erfordert werden.
    Juliane . Und wann ich das Galimathias eines jungen Gelehrten verstehen darf, so haben Sie es getroffen.
    Damis . Mein Vater ist ein Idiote. Koemmt es denn nur auf ihn oder auf Sie, Mademoiselle, an, einen Vertrag, der an meinem Teil fest bestehet, ungueltig zu machen?—Es wird sich alles zeigen; nur wollte ich bitten, mich jetzt ungestoert zu lassen—(Wendet sich wieder an den Tisch.) Valer . Was fuer ein Bezeigen! hat man jemals einem Frauenzimmer, auf dessen Besitz man Anspruch
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