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Der junge Gelehrte

Der junge Gelehrte

Titel: Der junge Gelehrte
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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mir genossen; ich habe ihr alles Gute beigebracht: wer von ihr Uebels spricht, der spricht es zugleich von mir. Was? ich sollte nicht ein Frauenzimmer zu ziehen wissen? Ich sollte ein Maedchen, das unter meiner Vierter Auftritt
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    Der junge Gelehrte
    Aufsicht gross geworden ist, nicht so weit gebracht haben, dass es einmal eine rechtschaffne wackre Frau wuerde? Reich habe ich sie freilich nicht machen koennen; ich bin der Wohltat selbst noch benoetigt. Aber dass ich sie nicht tugendhaft, nicht verstaendig gemacht haette, das kann mir nur einer nachreden, der so dumm ist als du, mein Sohn. Nimm mir es nicht uebel, dass ich mit der Sprache herausruecke. Du bist so ein eingemachter Narre, so ein Stockfisch—nimm mir's nicht uebel, mein Sohn—so ein ueberstudierter Pickelhering—aber nimm mir's nicht uebel—
    Damis (beiseite) . Bald sollte ich glauben, dass sein erster Handel mit eingesalznen Fischen gewesen sei.—Schon gut, Herr Vater; von Julianens Tugend will ich nichts sagen; die Tugend ist oft eine Art von Dummheit. Aber was ihren Verstand anbelangt, von dem werden Sie mir erlauben, dass ich ihn noch immer in Zweifel ziehe. Ich bin nun schon eine ziemliche Zeit wieder hier; ich habe mir auch manchmal die Muehe genommen, ein paar Worte mit ihr zu sprechen: hat sie aber wohl jemals an meine Gelehrsamkeit gedacht?
    Ich mag nicht gelobt sein; so eitel bin ich nicht; nur muss man den Leuten ihr Recht widerfahren lassen—
    Fuenfter Auftritt
    Chrysander . Damis. Valer.
    Chrysander . Gut, gut, Herr Valer, Sie kommen gleich zur rechten Stunde.
    Damis . Was will der unertraegliche Mensch wieder?
    Valer . Ich komme, Abschied von Ihnen beiden zu nehmen—
    Chrysander . Abschied? so zeitig? warum denn?
    Valer . Ich glaube nicht, dass Sie im Ernste fragen.
    Chrysander . Gott weiss es, Herr Valer; in dem allerernstlichstem Ernste. Ich lasse Sie wahrhaftig nicht.
    Valer . Um mich noch empfindlicher zu martern? Sie wissen, wie lieb mir die Person allezeit gewesen ist, die Sie mir heute entreissen. Doch das Unglueck waere klein, wenn es mich nur allein traefe. Sie wollen noch dazu diese geliebte Person mit einem verbinden, der sie ebenso sehr hasst, als ich sie verehre? Meine ganze Seele ist voller Verzweiflung, und von nun an werde ich weder hier noch irgendswo in der Welt wieder ruhig werden. Ich gehe, um mich—
    Chrysander . Nicht gehen, Herr Valer, nicht gehen! Dem Uebel ist vielleicht noch abzuhelfen.
    Valer . Abzuhelfen? Sie beschimpfen mich, wenn Sie glauben, dass ich jemals diesen Streich ueberwinden werde. Er wuerde fuer ein minder zaertliches Herz, als das meinige ist, toedlich sein.
    Damis . Was fuer ein Gewaesche! (Setzt sich an seinen Tisch.) Valer . Wie gluecklich sind Sie, Damis! Lernen Sie wenigstens Ihr Glueck erkennen; es ist der geringste Dank, den Sie dem Himmel schuldig sind. Juliane wird die Ihrige—
    Chrysander . Ei, wer sagt denn das? Sie soll noch zeitig genug die Ihrige werden, Herr Valer, nur Geduld!
    Valer . Halten Sie inne mit Ihren kalten Verspottungen—
    Fuenfter Auftritt
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    Der junge Gelehrte
    Chrysander . Verspottungen? Sie muessen mich schlecht kennen. Was ich sage, das sag ich. Ich habe die Sache nun besser ueberlegt; ich sehe, Juliane schickt sich fuer meinen Sohn nicht und er sich noch viel weniger fuer Julianen. Sie lieben sie; Sie haben laengst bei mir um sie angehalten; wer am ersten koemmt, der muss am ersten mahlen. Ich habe eben mit meinem Sohne davon geredt—Sie kennen ihn ja—
    Valer . Himmel, was hoer ich? Ist es moeglich? welche glueckliche Veraenderung! Erlauben Sie, dass ich Sie tausendmal umfange. Soll ich also doch noch gluecklich sein? O Chrysander! o Damis!
    Chrysander . Reden Sie mit ihm und setzen Sie ihm den Kopf ein wenig zurechte. Ich will zu Julianen gehen und ihr meinen veraenderten Entschluss hinterbringen. Sie wird mir es doch nicht uebelnehmen?
    Valer . Uebel? Sie werden ihr das Leben wiedergeben, so wie Sie es mir wiedergegeben haben.
    Chrysander . Ei, kann ich das? (Geht ab.)
    Sechster Auftritt
    Damis . Valer. Anton.
    Valer . Und in welchem Tone soll ich nun mit Ihnen reden, liebster Freund? Das erneuerte Versprechen Ihres Vaters berechtigte mich, Sie ganz und gar zu uebergehen. Ich habe gewonnen, sobald Chrysander Julianen zu zwingen aufhoert. Doch wie angenehm soll es mir sein, wann ich ihren Besitz zum Teil auch Ihnen werde verdanken koennen.
    Damis . Anton!
    Anton (koemmt) . Was soll der? ist Ihnen die Post wieder eingefallen?
    Damis . Gleich geh! sie
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