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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
Autoren: Patricia Highsmith
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konnte, wie der Junge herkommen würde. Nun, es war ja nicht das erste Mal. Tom reckte die Schultern, ging wieder ans Cembalo und setzte sich gerade hin. Diesmal klang seine Scarlatti-Sonatine besser, fand er.
    Roger Lepetit nannte sie »flüssig«. Ein hohes Lob.
    Gegen Mittag hatte sich das Gewitter ausgetobt, und am späten Nachmittag strahlte der Garten hell und rein im selten klaren Sonnenlicht. Bevor Héloïse fuhr, sagte sie, daß sie spätestens um Mitternacht zurück sein werde. Die Fahrt nach Chantilly dauerte eineinhalb Stunden. Nach dem Essen unterhielt sie sich immer noch mit ihrer Mutter; ihr Vater dagegen ging nie später als halb elf zu Bett.
    »Der junge Amerikaner kommt heute um sieben«, sagte Tom. »Du hast ihn getroffen. Billy Rollins.«
    »Ach ja, neulich abend.«
    »Ich werd ihn zum Essen einladen. Kann sein, daß er noch hier ist, wenn du zurückkommst.«
    Es war nicht weiter wichtig, Héloïse ging nicht darauf ein. »Bis bald, Tomme !« sagte sie und nahm den Strauß aus langstieligen Chrysanthemen und der einen roten Pfingstrose, fast ihrer letzten. Vorsorglich trug sie einen Regenmantel über Rock und Bluse.
    Tom hörte die 7-Uhr-Nachrichten, als es draußen am Tor klingelte. Er hatte Madame Annette gesagt, er erwarte um sieben Besuch, und fing sie im Wohnzimmer mit den Worten ab, er werde seinen Freund selbst hereinlassen.
    Billy Rollins kam über den Kies zwischen dem offenen Tor und der Haustür auf ihn zu, diesmal in grauen Flanellhosen, Hemd und Jackett. Unter dem Arm trug er etwas Flaches in einer Plastiktüte.
    »Guten Abend, Mr. Ripley.« Er lächelte.
    »Guten Abend. Komm herein. So pünktlich – wie bist du hergekommen?«
    »Taxi. Heute war’s mir egal.« Der Junge trat die Schuhe auf der Fußmatte ab. »Für Sie.«
    Tom zog eine Platte aus der Plastiktüte: Schubert-Lieder, gesungen von Fischer-Dieskau, eine neue Aufnahme, von der er schon gehört hatte. »Vielen Dank. Genau getroffen, wie man so sagt. Aber ich meine es so, Billy.«
    Die Kleidung des Jungen war makellos sauber, anders als an jenem Abend neulich. Madame Annette kam herein und fragte, was sie trinken wollten. Tom machte sie bekannt.
    »Setz dich, Billy. Ein Bier? Oder einen Drink?«
    Billy nahm auf dem Sofa Platz. Madame Annette ging Bier holen, das der Barwagen nicht zu bieten hatte.
    »Meine Frau ist bei ihren Eltern«, sagte Tom. »Sie besucht sie jeden Freitagabend.«
    Madame Annette versuchte sich diesmal an Toms Gin-Tonic, mit einer Zitronenscheibe. Je mehr Arbeit sie bekam, desto glücklicher war sie. Und Tom fand an den Drinks, die sie für ihn mixte, nichts auszusetzen.
    »Sie hatten heute Unterricht?« Die Noten auf dem aufgeklappten Cembalo waren Billy nicht entgangen.
    Ja, sagte Tom, Scarlatti, seine Frau auch, eine Bach-Invention. »Macht viel mehr Spaß als eine Partie Bridge am Nachmittag.« Gott sei Dank bat Billy ihn nicht, etwas vorzuspielen. »Also, deine Fahrt nach Paris. Unsere vierbeinigen Freunde.«
    »Ja.« Billy legte den Kopf in den Nacken, als müsse er sich seine Antwort genau überlegen. »Am Mittwoch habe ich den ganzen Vormittag damit verbracht, mich zu vergewissern, daß es das Tierheim tatsächlich nicht gibt. In einem Café habe ich gefragt, auch in einer Autowerkstatt. Dort sagten sie, damit wären schon einige vor mir gekommen. Sogar bei der Polizei von Veneux bin ich gewesen – die meinten, sie hätten noch nie davon gehört. Nicht mal auf einem genauen Stadtplan konnten sie es finden. Dann bin ich zu einem großen Hotel in dem Viertel gegangen, und selbst die wußten nichts davon.«
    Wahrscheinlich das Hotel Grand-Veneux, ein Name, bei dem Tom immer an venerische Krankheiten denken mußte. Jetzt war ihm das peinlich. »Also bist du am Mittwoch schon früh ganz schön fleißig gewesen?«
    »Ja, und am Nachmittag mußte ich arbeiten, meine täglichen fünf, sechs Stunden für Madame Boutin.« Billy hob sein Glas und nahm einen Schluck Bier. »Gestern, am Donnerstag, bin ich dann nach Paris gefahren, ins achtzehnte Arrondissement. Zuerst die Métro-Station Les Abbesses, dann Place Pigalle. Ich bin zu den Postämtern gegangen und habe nach dem Postfach 287 gefragt. Sie sagten, das wäre vertraulich. Ich hatte gefragt, wer die Post abholte, verstehen Sie?« Billy lächelte dünn. »Ich trug Arbeitszeug, sagte, ich wollte einer Tierschutzorganisation zehn Franc spenden – ob ich die richtige Adresse hätte? Die haben mich angeschaut, als ob ich der Betrüger wäre!«
    »Aber
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