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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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diesem Minenstollen L. Aber er wird leben, und Simon wird sterben, und er bezwang sich und sagte: »Ja, mein Simon, wir hätten den Minenstollen mehr rechts legen sollen. Die nach uns werden es besser machen.« – »Wenn wir nur rechtzeitig zusammengehalten hätten, mein Johann«, sagte Simon, »wir wären mit ihnen fertig geworden. Ich habe jetzt ihren Titus in der Nähe gesehen. Ein guter Junge, aber kein Feldherr.«
      Josef sah die beiden herankommen, vorüberschreiten. Sie gingen langsam, er sah sie eine ganze Weile, er sah jenes Strahlen um Simon wie seinerzeit bei der Begegnung im Tempel. Und jetzt konnte er sich nicht mehr im Zaum halten. Er wollte den Laut in der Kehle bewahren, aber er konnte es nicht, der Laut drang vor, ein Stöhnen, verzweifelt, unterdrückt, furchtbar, daß Josefs Nachbar, der eben noch geschrien hatte wie die andern: Hunde! Hundesöhne!, mitten im Wort abbrach, erschrocken, erblaßt. Josef starrte auf die beiden Gefangenen, er fürchtete, sie möchten herschauen. Er war ein frecher Mann, der einstand für seine Taten, aber wenn sie hergeschaut hätten, dann wäre er gestorben vor Schande und Demütigung. Es preßte ihn, es würgte ihn, er ist der einzige Jude, der das mit ansieht. Er hat Hunger ertragen und letzten Durst, Geißelung, jede Art Schmach, und wie oft ist er vor dem Tod gestanden. Aber das kann er nicht ertragen, das kann keiner ertragen. Das ist nicht mehr menschlich, das ist eine härtere Strafe, als er sie verdient hat. Die beiden sind ganz nah.
      Er wird eine Synagoge stiften. Alles, was er hat, auch die Erträgnisse seines Buches wird er an den Bau wenden, es soll eine Synagoge sein, wie sie Rom noch nicht gesehen hat. Die heiligen Schriftrollen aus Jerusalem wird er für die Lade stiften. Aber sie werden seine Synagoge nicht annehmen. Sie haben Weihgaben von Unbeschnittenen genommen, aber von ihm werden sie nichts nehmen, und sie werden recht haben.
      Jetzt sind die beiden gerade vor ihm. Sie sehen ihn nicht. Er steht auf. Sie können ihn nicht hören in dem wilden Geschrei ringsum, aber er tut den Mund auf, er gibt ihnen das Bekenntnis mit auf ihren Weg. Inbrünstig wie nie im Leben reißt er es aus sich heraus, ruft es ihnen zu: »Höre, Israel, Jahve ist unser Gott, Jahve ist einzig.«
      Auf einmal, als hätten sie ihn gehört, beginnt es im Zug der Gefangenen zu schreien, erst einige, dann mehr, dann alle: Höre, Israel, Jahve ist unser Gott, Jahve ist einzig. Als die ersten anfangen, lachen die Zuschauer, machen den Eselsschrei: Jah, Jah. Aber dann werden sie still, und manche beginnen zu zweifeln, ob es wirklich ein Esel ist, zu dem die Juden schreien.
      Josef, wie er den Ruf von unten hört, wird ruhiger. Sicher jetzt rufen sie es in allen Synagogen der Judenheit: Höre, Israel. Hat er es je geleugnet? Er hat es nie geleugnet. Damit alle es erkennen, nur darum hat er getan, was er getan hat. Er wird sein Buch schreiben, er wird es frommen Sinnes schreiben, Jahve wird mit ihm sein. Es wird verkannt werden, von den Römern und von den Juden. Es wird lange dauern, bis es verstanden wird. Aber eine Zeit wird sein, da wird es verstanden.
      Hinter den beiden jüdischen Heerführern, wer aber prangte da, herrlich, im Schmuck des berühmten, achtteiligen Ornats? Der Erzpriester, der Proletarier, Phanias, der Bauarbeiter. Er ging daher, dürr, dumpf vor sich hin starrend, die Augen einwärts, gedrückt und besessen. Der Senator Marull sah ihn. Es wird wirklich nicht viel Unterschied machen, ob er diesen Phanias zum Leibeigenen hat oder den Johann von Gischala. Johann sieht intelligenter aus, man wird mit ihm interessante Gespräche führen können, aber pikanter wäre es, den Erzpriester als Türhüter zu haben.
      Musik kam, Opfertiere, und dann, die Krone des Zuges, sein prunkvolles Mittelstück, die Wagen der Triumphatoren. Profose voran, die Rutenbündel mit Lorbeer bekränzt, Notare, die die Bewilligungsurkunde des Triumphes trugen, dann eine Schar von Clowns, frech und gutmütig gewisse populäre Eigenschaften der Triumphatoren parodierend, die Sparsamkeit des Vespasian, des Titus Genauigkeit, sein Stenographieren. Dann Karikaturen der Besiegten, gestellt von den beliebtesten Schauspielern. Unter ihnen Demetrius Liban, der Erste Schauspieler der Epoche. Ja, er hatte Krankheit und Schwäche besiegt, hatte die Auflehnung seines Herzens besiegt. Es ging um seine Kunst, seinen Ehrgeiz, der Kaiser hatte ihn gerufen, er riß sich zusammen, er war zur
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