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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strümpfe mit. Und die Stiefel aus Biberfell. Und die Pelzmütze mit den Ohrklappen. Es kann kalt werden da oben am Jadedrachen-Berg.«
    »Wir bleiben in den Bergen, Ling?«
    »Ja. So lange, bis Deng Jintao zu uns sagt: ›Geht wieder in euer Dorf, ihr Demütigen. Die Krankheit ist aus euren Körpern geflüchtet zu den Feuergeistern. Eure Leiber sind rein.‹«
    »Und wenn er es nicht sagt?«
    »Er wird etwas sagen, Stiller Herbstsee. Er wird sagen Leben, oder er wird sagen Tod. Was er auch sagt: Er wird sein Geschenk bekommen, und wir ziehen zurück in unser Dorf. Eines bringen wir immer mit: das Wissen. Wie einsam ist ein unwissender Mensch – er hat nicht einmal seine Gedanken zum Freund.«
    Junpei, die wie immer für alles zu sorgen hatte, was Ling in den Sinn kam, eilte ins Haus, um Decken, Kleidung und alles, was man zu einer längeren Reise brauchte, zu Bündeln zusammenzuschnüren. Die Schwiegertochter füllte drei große, vier Liter fassende Thermoskannen mit kochendem Wasser und stopfte einen Leinenbeutel voll grünen Tee. Wenn es auf dem Weg zum Jadegipfel-Tempel einen Schnee- oder Sandsturm geben sollte, wenn man länger unterwegs war und das Essen nicht reichte, wenn die karge Hochebene vor dem Gebirge keine Wurzeln, Sträucher, Beeren oder Pflanzen hergab, mit denen man den Hunger unterdrücken konnte – zwei Schlucke heißen grünen Tees hielten das Leben zusammen.
    Ling kümmerte sich um seinen dreirädrigen Kleintraktor. Er ölte die Wellen und Zahnräder, reinigte den Motor, zog den Treibriemen nach, kontrollierte die Achsen und Radlager, alles tat er so genau, als ginge es auf eine Reise nach Shanghai oder hinauf in den Norden, in die Mongolei oder nach Tibet. Zum Schluß koppelte er den flachen Anhänger an und sah, die Hände auf dem Rücken, zufrieden zu, wie Junpei und seine Schwiegertochter die schweren Bündel herbeitrugen und auf die Ladefläche stemmten. Er hielt seine Maschine in Ordnung, für die Hausarbeit waren die Frauen da. Das Leben ist gerecht verteilt.
    Bevor sich Ling auf den eisernen, durchlöcherten Bock des Kleintraktors setzte, schob ihm Junpei, die Aufmerksame, noch ein flaches Kissen unter das Gesäß. Nicht mehr viel Fleisch hatte Ling auf seinem Hintern, die Knochen stachen durch die gelbe, faltige Haut, und es kam jetzt öfter vor, daß er von den Feldern oder von einigen Lohnfuhren zurückkam, sich in das kalte Wasser des Baches setzte, der durch Changli plätscherte, und sich danach von Junpei die Hinterbacken bis zum Rücken hinauf mit Hammelfett einreiben ließ. Einmal blutete er sogar am linken Hüftknochen; da suchte er Kuang Yemei, den Heilkundigen, auf, ließ sich einen nach Auberginen riechenden Pflanzenbrei auf die Wunde legen, bezahlte für die Behandlung einen Yuan und war nach zwei Tagen schmerzfrei, und auch die Wunde gab es nicht mehr. Wie weggezaubert war sie, und es hatte schon seine Berechtigung, daß Kuang Yemei auch außerhalb der Behandlungen mit Geschenken reich bedacht wurde.
    Um so größer und verständlicher war sein Zorn auf jenen Lamapriester Deng Jintao im Felsengewirr des Jadedrachen-Berges. Woher er kam, wußte niemand, und Chen Xue, der Älteste und Vorsteher des Klosters, schwieg auch darüber, wenn ihn jemand danach fragte.
    »Die Gnade Buddhas hat ihn uns geschickt«, antwortete er geschickt, denn niemand wagte die Gnade Buddhas anzuzweifeln. »Er ist ein Weiser, ein Heiler, ein Auge, das in den Menschen blicken kann. Wenn er sagt: ›Du lebst‹, dann wirst du weiterleben. Sagt er aber: ›Du stirbst‹, dann suche um dein Haus herum die Stelle aus, wo dein Körper wieder zu Erde wird. Ja, Jünger Buddhas, er war plötzlich da, als sei er auf einer Wolke vom Gipfel des Yulongxue Shan herabgestiegen, und er hat mich sofort von einem Husten geheilt, mit fünf Tropfen aus einer Flasche aus rotem Glas.«
    Kein Wunder, daß allesamt von Deng Jintao sprachen und Kuang Yemei in seinem kleinen Medizinladen mit den vielen Pulvern und Mixturen, den Schlangen, den getrockneten Kröten und Eidechsen, den verkrümmten Wurzeln und Schüsseln voll lebendem Gewürm die wildesten Flüche ausstieß, wenn er allein war und niemand ihn hörte. Er kannte die Geheimnisse von tausendjährigen Medikamenten, er heilte Durchfälle und Blasenschwäche, Kinderpocken und Entzündungen aller Art, von der infizierten Wunde bis zum Ausfluß bei den Frauen, er mischte Salben gegen Pickel und heilte sogar einen Bauern, der von Kunming eine Syphilis mitgebracht hatte,
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