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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Semjon
Parfenowitsch Rechenschaft ablegen?‹ Die Wahrheit zu sagen, ich hatte
damals schon vor, ohne erst nach Hause zu gehen mich ins Wasser zu
stürzen; aber ich dachte: ›Es ist ja doch ganz gleich!‹ und kehrte wie
ein armer Sünder nach Hause zurück.«
    »O weh, o weh!« sagte der Beamte und schnitt dabei eine Grimasse;
ja, er schüttelte sich sogar mit dem ganzen Leib. »Und der Selige war
imstande, nicht nur um zehntausend, sondern schon um zehn Rubel willen
einen in jene Welt zu spedieren.« Er blickte zum Fürsten.
    Der Fürst sah Rogoschin mit lebhaftem Interesse an; es schien, als sei der in diesem Augenblick noch blasser.
    »Dazu war er imstande!« wiederholte Rogoschin. »Aber was wissen Sie
davon?« Dann erzählte er dem Fürsten weiter: »Er erfuhr sogleich alles;
Saloschew hatte es jedem, der ihm begegnete, ausgeschwatzt. Der Vater
nahm mich, schloß mich im oberen Stockwerk ein und prügelte mich eine
ganze Stunde lang. ›Und das ist nur eine Vorbereitung für dich‹, sagte
er; ›heute abend komme ich, um dir gute Nacht zu sagen.‹ Sollte man's
glauben? Der alte Mann fuhr zu Nastasja Filippowna hin, verbeugte sich
tief vor ihr und flehte sie unter Tränen an; endlich holte sie ihm das
Etui herbei, warf es ihm hin und sagte: ›Da hast du deine Ohrringe,
alter Graubart; sie sind für mich jetzt um das Zehnfache im Wert
gestiegen, nun ich weiß, daß Parfen sie einem so strengen Vater zum
Trotz beschafft hat. Grüße Parfen Semjonowitsch von mir und bestelle
ihm meinen Dank!‹ Na, ich hatte unterdessen mich von meiner Mutter
segnen lassen und mir von Sergei Protuschin zwanzig Rubel geborgt;
damit setzte ich mich auf die Bahn und fuhr nach Pskow, wo ich fiebernd
ankam. Dort langweilten mich die alten Frauen durch das Vorlesen von
Gebeten aus dem Kirchenkalender rein zu Tode, und ich saß betrunken
dabei; als ich gerade mein letztes Geld in den Kneipen vertrunken
hatte, lag ich die ganze Nacht bewußtlos auf der Straße, und am Morgen
hatte ich dann das hitzige Fieber; und außerdem hatten mich in der
Nacht auch noch die Hunde angefressen. Nur mit Mühe habe ich mich
erholt.«
    »Nun, nun, jetzt wird aber Nastasja Filippowna in einer andern
Tonart zu uns reden!« kicherte der Beamte und rieb sich dabei die
Hände. »Was ist jetzt an jenem Ohrgehänge gelegen, mein Herr! Jetzt
werden wir ihr solche Ohrgehänge zum Ersatz schenken, daß ...«
    »Hören Sie mal, wenn Sie nur noch ein einziges Mal ein Wort über
Nastasja Filippowna sagen, dann gnade Ihnen Gott! Ich werde Sie
durchprügeln, wenn Sie auch mit Lichatschow verkehrt haben!« schrie
Rogoschin und packte ihn kräftig am Kragen.
    »Aber wenn Sie mich durchprügeln, so bedeutet das, daß Sie mich
nicht von sich stoßen! Prügeln Sie mich! Gerade dadurch gewinnen Sie
mich zum Freund! Wenn Sie mich durchgehauen haben, so haben Sie gerade
dadurch unsere Freundschaft besiegelt ... Aber da sind wir angelangt!«
    Sie fuhren tatsächlich in den Bahnhof ein. Obgleich Rogoschin gesagt
hatte, daß er ganz in der Stille abgereist sei, erwarteten ihn doch
schon mehrere Menschen. Sie riefen und winkten ihm mit den Mützen.
    »Nun sieh mal, Saloschew ist auch da!« murmelte Rogoschin, indem er
mit einem triumphierenden, sogar etwas boshaften Lächeln nach ihnen
hinblickte; dann wandte er sich auf einmal zum Fürsten: »Fürst, ich
weiß nicht, weswegen ich dich liebgewonnen habe. Vielleicht, weil ich
dich in einem solchen Augenblick getroffen habe; aber den hier habe ich
doch auch getroffen« (er wies auf Lebedjew), »und den habe ich nicht
liebgewonnen. Komm zu mir, Fürst! Wir werden dir diese Gamaschen
ausziehen; ich werde dir den besten Marderpelz kaufen, dir den
schönsten Frack machen lassen, eine weiße Weste oder was für eine du
sonst wünschst; ich werde dir die Taschen voll Geld stopfen, und ...
dann wollen wir zu Nastasja Filippowna fahren! Wirst du kommen oder
nicht?«
    »Gehen Sie darauf ein, Fürst Ljow Nikolajewitsch!« fügte Lebedjew in
eindringlichem, feierlichem Ton hinzu. »Lassen Sie sich das ja nicht
entgehen! Lassen Sie sich das ja nicht entgehen!«
    Fürst Myschkin stand auf, streckte Rogoschin höflich die Hand hin und sagte freundlich zu ihm:
    »Ich werde mit dem größten Vergnügen kommen und danke Ihnen herzlich
dafür, daß Sie mich liebgewonnen haben. Ich werde sogar vielleicht
heute schon kommen, wenn ich Zeit finde. Denn ich sage Ihnen
aufrichtig: auch Sie haben mir sehr gefallen, und besonders, als Sie
von den
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