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Der Hüter des Schwertes

Der Hüter des Schwertes

Titel: Der Hüter des Schwertes
Autoren: Duncan Lay
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Zugegebenermaßen war es auch schon Jahre her, seit er es gehört hatte, damals, als er sich selbst noch im Spiegel hatte ansehen können. Er war mit Borin und Tomon, Freunden seit seiner Kindheit, und einigen frisch angeworbenen Soldaten losgezogen, um etwas zu trinken. Einer der Neuen, ein großer blonder Bursche, der eine Woche später schreiend gestorben war, hatte dieses witzige Lied gesungen, das von einem ungewöhnlichen Tier und dessen erstaunlichem sexuellen Appetit handelte. Das ganze Wirtshaus hatte am Ende mitgesungen, unter gröhlendem Gelächter.
    »Man sollte doch meinen, dass einem so ein Lied nicht so bald aus dem Kopf geht, hm?«, sagte Martil zu seinem Pferd, einem muskulösen, schnellen Fuchs. Es war allerdings nicht besonders gesprächig, und es hatte ihn fünf Goldstücke gekostet. Er wusste, dass er zu viel bezahlt hatte, aber er hatte das Land einfach nur möglichst schnell hinter sich lassen wollen. Außerdem war ihm Geld nicht so wichtig.
    Die Plünderung einiger Schlachtfelder hatte ihm zu einem kleinen Vermögen verholfen – das zusätzlich durch die schon lange überfällige Belohnung seitens seines alles andere als dankbaren Königs aufgestockt worden war. Er vermutete, dass man ihn damit hatte ruhigstellen und loswerden wollen, sodass man seinetwegen nicht länger in Verlegenheit kam. Seine Satteltaschen waren also voller Gold, aber es machte ihm keine Freude. Es gab überhaupt kaum etwas, das ihn glücklich stimmte.
    Das Pferd, ein ehemaliges Reittier des Heeres, aus den Diensten des Königs entlassen wie so viele der Veteranen Ralloras, war ein Wallach. Martil hatte es Tomon getauft – nach seinem alten Freund, dem die Frauen nicht hatten widerstehen können. Das hätte Tomon gefallen, wäre er noch am Leben gewesen. Tomon hatte seinen Sinn für Humor immer geschätzt. Borin war davon nicht so begeistert gewesen und hatte immer gesagt, es gäbe einige Dinge, über die man sich nicht lustig machen sollte. Aber selbst er hatte zugegeben, dass unter anderem sein Humor ihnen über die schwierigsten Zeiten hinweggeholfen hatte. Traurigerweise vermochte Martil nicht, die Träume und Erinnerungen fernzuhalten, die ihn jetzt heimsuchten.
    »Also, Tomon, wie ging das Lied denn nun?«, fragte Martil und stupste sein Pferd an.
    Das Pferd antwortete nicht, sondern trottete nur die Straße entlang – oder besser das, was hier in diesem ruhigen Teil des östlichen Norstalos als Straße durchging. Martil richtete seine Aufmerksamkeit jetzt ebenfalls auf die Straße. Er dachte lieber über solch alltägliche Dinge wie Straßen oder halb vergessene Trinklieder nach als darüber, warum er allein durch ein fremdes Land ritt, obwohl er in seiner Heimat doch als Held hätte gelten sollen. Einst war es ihm nicht möglich gewesen, sich auf einer Straße zu zeigen, ohne dass viele Männer ihm die Hand schüttelten, Kinder ihn nachahmten und Frauen ihn in ihre Kammer einluden. Zwar würde die Hälfte der Leute ihn noch immer bejubeln, aber die andere Hälfte dafür am liebsten vor Hass anspucken. Er schauderte bei der Erinnerung daran, welche Schimpfwörter – gefolgt von faulen Früchten – sie ihm an den Kopf geworfen hatten. Er suchte verzweifelt nach irgendetwas, um sich von diesen Erinnerungen abzulenken. Es war Sommer hier in Norstalos, und die Sonne ließ ihm den Schweiß den Rücken herunterlaufen, wann immer er nicht im Schatten von Bäumen ritt. Sie machte ihn auch durstig, also nahm er einen Schluck Wein. Er hatte nach dem besten Norstaler Roten gefragt, erinnerte er sich.
    »Schmeckt wie Ziegenpisse«, teilte er Tomon mit. Aber der Wein half ihm dennoch zu vergessen. Er konnte sich beispielsweise nicht an den Namen des verdammten Tieres erinnern, das sechzehn urkomische Verse lang von Katzen bis hin zu Drachen alles vergewaltigte. Nun, wenn der Wein seine Arbeit tat und ihn auch alles andere vergessen ließ, war das Geld dafür nicht verschwendet. Wenn er ihn den Anblick des verzweifelten Borin vergessen ließ, wie er vergeblich versucht hatte, sich die Eingeweide wieder in den Leib zu schieben, nachdem zwei berellische Krieger ihn mit ihren Äxten erwischt hatten. Oder den Ausdruck auf Tomons Gesicht, als er erstickte, nachdem ein berellischer Armbrustpfeil ihm die Kehle zerfetzt hatte. Wenn er ihn vergessen ließ, wie er sich mit vier anderen rallorischen Hauptmännern zusammengetan hatte und die Zerstörung der berellischen Stadt Bellic befohlen hatte.
    »Zeit für einen Themenwechsel«,
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