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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Autoren: Eva Maaser
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Schweigen im Saal wurde immer unerträglicher. Nur das Schnaufen einiger Inquisitoren, hervorgerufen durch die rauchgeschwängerte, stickige Luft, durchbrach die Stille.
    ***
    Dieser verbohrte Narr, wenn er doch nur widerrufen würde. Bellarmin war außer sich. Dieser Mann würde lieber sterben, als seiner Überzeugung abzuschwören. Je länger der Prozess dauerte, desto klarer wurde dies dem Offizium. Die Gesichtszüge des Kardinals hatten sich verdunkelt. Die graublauen Augen, die außerhalb der Kerkermauern meist milde dreinblickten, waren nun eng zusammengekniffen. Ein Beben ging durch die ebenmäßige Nase, wie bei einem Hengst, der kurz davor war loszulaufen.
    „Du weigerst dich, die Jungfrau Maria als Mutter Gottes anzuerkennen?“ Es klang mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage. Die Männer sahen einander reihum an, als der Angeklagte darauf nichts erwiderte. Der Rauch der Kerzen verdünnte den Sauerstoff. Giordano fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Er war zu schwach, um zu antworten. Warum wollten sie nicht begreifen, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums war, ja, nicht sein konnte. Kopernikus hatte es doch bewiesen. Landauf, landab war er auf seinen Reisen auf verständige Personen getroffen. Hatte auf Fürstenhöfen mit Gelehrten diskutiert, und man war sich einig, dass Ptolemäus, an dessen Theorien die Kirche immer noch festhielt, mit seinen Ansichten irrte. Giordano drohte in Ohnmacht zu fallen. Zwei Wachen eilten herbei und stützten ihn. Seine ohnedies hagere Gestalt war von der nun ohne Unterbrechung fast acht Jahre andauernden Kerkerhaft ausgezehrt.
    „Ich glaube an ein unendliches Universum.“ Schwach kamen die Worte über Giordanos Lippen. „Ich halte es der göttlichen Güte und Macht für unwürdig, wenn sie unzählige Welten erschaffen kann, aber nur eine endlich begrenzte Welt erschafft.“
    Bellarmin hob erstaunt und interessiert zugleich die buschigen Augenbrauen.
    „Daher habe ich stets behauptet, es existierten unzählige Welten ähnlich dieser Erde, welch Letztere ich mit Pythagoras nur für einen Stern halte, wie die zahllosen Planeten und Gestirne.“ Er hielt erschöpft kurz inne und holte tief Luft. „Alle diese unzähligen Welten machen eine unendliche Gesamtheit aus im unendlichen Raum, und dieser heißt das unendliche All, so dass doppelte Unendlichkeit anzunehmen ist, nach Größe des Universums und nach Zahl der Weltkörper.“ Seine Stimme wurde mit jedem Satz fester. „In diesem unendlichen All sehe ich eine universelle Vorsehung, kraft derer jegliches Ding lebt und sich bewegt und in seiner Vollkommenheit existiert.“ Gebetsmühlenartig hatte er diese Sätze wiederholt. Schon damals in Venedig und erst recht hier in Rom. Während er die ob seiner Dreistigkeit zum Teil ungläubig glotzenden Mitglieder des Offiziums der Reihe nach ansah, machten sich seine Gedanken auf in die Unendlichkeit. Unendlichkeit, das war für ihn zum einen der Sternenhimmel. Unendlichkeit bedeutete aber auch, auf das ruhig daliegende, tiefblaue Meer hinauszublicken und am Horizont keine Unterscheidung mehr zwischen den Elementen Wasser und Luft zu erkennen. Unendlich konnte ein im Spätsommerwind wogendes Kornfeld sein, das mit seiner gelben Farbe zu dieser Jahreszeit die Landschaft seiner Heimat prägte, oder der Monte Cicala und sein ferner Bruder, der Vesuv. Beide riefen in ihm die Sehnsucht nach dem Wissen, was wohl hinter diesen Bergen sein mochte, hervor. Giordano hatte etwas Zeit gewonnen.
    „Gott …“
    „Du wagst es, den Namen des Allmächtigen in den Mund zu nehmen?“, wurde Giordano jäh erneut unterbrochen.
    „Gott ist mächtig und groß und kann viele Welten schaffen.“ Nun ließ er sich nicht mehr beirren. Noch einmal nahm er einen Anlauf. „Ihr gottverdammten, scheinheiligen, dummen Esel!“ Seine Wut war wieder erstarkt, hielt die körperliche Schwäche in Bann. Ein lautes Murren ging durch das Offizium. Die Wachen, die ihn zum Verhör gebracht hatten, machten sich bereit, ihn auf ein Zeichen des Kardinals Bellarmin wieder in seine Kerkerzelle zu bringen.
    „Gott ist zu groß, als dass er sich mit dieser einen, kleinen Welt zufriedengeben würde.“ Giordano redete sich langsam in Rage. „Seht ihr Narren denn nicht, dass sich die Gestirne bewegen, dass sie nicht, wie ihr den Menschen glauben macht, am Firmament festgenagelt sind? Nein, ihr wisst es nur zu gut. Ihr seid die wahren Ketzer!“ Seine Stimme überschlug sich förmlich. „Ihr macht
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