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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Autoren: Eva Maaser
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persönlich nach Rom, um dort direkt mit dem Papst über seine Erkenntnisse zu disputieren. Doch schon nach kurzer Zeit merkte er, dass man ihn für einen Ketzer hielt und nicht für einen Weisen. Den Papst bekam er nie zu Gesicht, und so entschloss er sich, nachdem er mehrmals schwören musste, der Ketzerei zu entsagen, ins Kloster San Domenico Maggiore zurückzukehren.
    Die zwei Bände mit Schriften von Hieronymus und Johannes Chrysostomos mit den verbotenen Fußnoten des berüchtigten Kirchenkritikers Erasmus von Rotterdam, die er im Abtritt des Klosters versteckt gehalten hatte, waren in einer kleinen Kammer neben dem Scriptorium verschlossen, nachdem sie von zwei Mönchen zufällig entdeckt worden waren. Erasmus galt als einer der Wegbereiter der Reformation, der nur allzu gern die Kritik der beiden Kirchenväter aufgenommen hatte, um gegen Missstände in der verweltlichten Kirche anzukämpfen. Zwar hätte Giordano leugnen können, dass er es gewesen war, der die Bücher versteckt hatte, doch dazu war er zu stolz. Erhobenen Hauptes hatte er dem Prior empfohlen, die Bücher doch selbst einmal zu lesen, falls er es nicht ohnedies bereits getan hatte. Giordano kannte den Trick, mit dem man das Schloss der kleinen Kammer mühelos öffnen konnte. Gespannt horchte er in die stille Nacht, ob jemand erwacht war, tastete blind an dem Regal entlang, das sich rechts der Eingangstür befand, und schon nach wenigen Augenblicken erfühlten seine suchenden Finger den Stoff, in den die beiden Bücher eingeschlagen waren. Oft genug hatte er heimlich einen Blick in die Kammer geworfen, um zu erspähen, welche verbotenen Schätze dort lagerten, und so wusste er sich in der Dunkelheit genau zurechtzufinden. Obwohl er kaum zu widerstehen vermochte, mehr als die beiden Bände konnte er beim besten Willen nicht auf seiner Flucht mitnehmen.
    Am späten Abend würde er in Nola ankommen. Seine Mutter würde die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sich dann über das plötzliche Auftauchen des Sohnes freuen, ihm ein kräftiges Mahl bereiten, während er sich im Zuber hinter dem Haus waschen und danach mit einer von seiner Mutter bereitgestellten Tinktur die wund gelaufenen Füße behandeln würde.
    Giordano verließ das Kloster durch einen kleinen Seitenausgang und trat seinen Weg an, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er sah die Sterne über sich, sah in der Ferne den vom Vollmond beschienenen Vesuv, und zwischen den engen Gassen konnte er unscharf das Meer erkennen. Was er nicht sah, war der Schatten, der ihm heimlich folgte.
    Kapitel 2
    1. Dezember 1595
    „Leugnest du, Bruder Giordano, die Unwahrheit über die Heilige Dreifaltigkeit im Lande verbreitet zu haben?“
    Giordano spürte, dass seine Beine ihm gleich wieder den Dienst versagen würden. Drei Tage hatte er keine Nahrung mehr bekommen. Das Wasser, das sie ihm einmal am Tag in einem Napf in seine dunkle Zelle schoben, schmeckte abscheulich, und er wusste, dass sich auch seine Zellenmitbewohner, die Ratten, daran gütlich taten, sobald er schlief oder eine Ohnmacht ihn übermannte. Nein, er wollte nicht aufgeben, sich nicht beugen vor der Inquisition. Über sechs Jahre waren nun vergangen, seit sie ihn aus den Bleikammern des Dogenpalastes in Venedig hierher in die Engelsburg nach Rom gebracht hatten. Bis zur letzten Minute hätte sich ihm die Möglichkeit der Flucht geboten, doch das wäre nicht nur eine Flucht vor der Inquisition gewesen, sondern auch eine Flucht vor der Wahrheit, und um der Wahrheit willen hätte Giordano noch ganz andere Opfer auf sich genommen. Vielleicht gelang es ihm ja auch, den einen oder anderen hier in diesem stickigen Gewölbe, in dem er nun schon seit Monaten einer Gruppe von Inquisitoren zum Verhör vorgeführt wurde, mit seinen Reden zum Nachdenken zu bewegen, zu überzeugen, in sich zu gehen, umzukehren vom falschen Weg … Giordano wollte etwas sagen, doch Kardinal Bellarmin, der Vorsitzende des Heiligen Offiziums, fiel ihm scharf ins Wort.
    „Du leugnest also weiterhin die Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist?“
    Giordano spürte, dass er den hohen Geistlichen zum Äußersten trieb. Es war ihm egal. Was bedeutete das schon? Ein mittelmäßiger Diskurs brachte sie nicht voran. Wenn es irgendeinen Funken Hoffnung gab, Bellarmin von seinen Ansichten zu überzeugen, dann mussten beide ihre Grenzen überschreiten. Giordano hielt Bellarmins festem Blick stand. Versuchte zu ergründen, was der Kardinal in dieser Sekunde dachte. Das
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