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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition)
Autoren: Simon Beckett
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Abwesenheit weitergedreht. Die Straßen brodelten, der Verkehr kroch dahin, und die Themse floss Richtung Meer. Offensichtlich war meine Rückkehr nur für mich bedeutsam. Ich hatte erwartet, dass man nach mir suchen würde. Dass man eine Belohnung auf meine Festnahme ausgesetzt hatte. Die Realität war nicht so dramatisch.
    Ich war davon ausgegangen, dass Lenny der Polizei erzählt hätte, was in jener Nacht in den Docklands passiert war. Aber ich hätte mir denken können, dass irgendwelche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, das Letzte war, was er wollte, weil das nur unangenehme Fragen mit sich bringen würde. Er hatte Jules’ Leichnam auf der Straße liegen gelassen, wo er dann am nächsten Morgen entdeckt wurde. Ohne Spuren oder Zeugen war der Fall als Fahrerflucht in die Akten eingegangen und wäre vermutlich längst vergessen. Wäre ich nicht in die nächstgelegene Polizeiwache spaziert.
    Natürlich war es nicht zu Ende, nachdem ich mein Geständnis abgelegt hatte. Es gab immer noch die Bedrohung, die von Lenny ausging, und die Frage, was er tun würde, wenn er von meiner Rückkehr erfuhr. Aber inzwischen hatte Jules’ ehemaliger Geschäftspartner ganz andere Probleme. Ein Kriminalbeamter mit Kaffeeatem erklärte mir, Lenny sitze in Untersuchungshaft, nachdem er bei einer Drogenrazzia hochgenommen wurde. Ihm drohte nicht nur eine Haftstrafe wegen eines Angriffs auf Polizeibeamte, sondern auch eine längere Zeit im Knast, weil er als Zulieferer harte Drogen vertickt hatte.
    Ich hörte ausdruckslos zu, als er mir das erzählte.
    Eine weitere Überraschung erwartete mich. Ich war davon ausgegangen, man werde auch mich in Untersuchungshaft stecken. Stattdessen wurde mir am Ende meiner Befragung mitgeteilt, ich könne auf Kaution wieder freikommen. «Sie sind aus Frankreich zurückgekehrt und haben sich gestellt.» Der Kommissar zuckte mit den Schultern. «Ich glaube nicht, dass bei Ihnen ein erhöhtes Fluchtrisiko besteht.»
    Weil ich nicht wusste, wo ich sonst hinsollte, ging ich zurück in meine alte Wohnung. Fast schon erwartete ich, jemand anderes wäre dort inzwischen eingezogen, und meine Sachen wären längst weggeworfen worden. Aber mein Schlüssel passte noch, und als ich die Wohnung betrat, stand alles da, wo ich es zurückgelassen hatte. Abgesehen vom Staub und von der Post, die sich hinter der Tür türmte, hätte man glauben können, ich wäre nie weg gewesen. Die Miete war einfach jeden Monat von meinem Konto abgebucht worden. Das Geld, das ich für meine Reise nach Frankreich gespart hatte, war so natürlich futsch. Die Ironie daran entging mir nicht. Aber wenigstens hatte ich jetzt ein Zuhause, bis mein Fall vor Gericht verhandelt wurde.
    Weiter im Voraus brauchte ich nicht zu planen.
    Und so trat ich wieder in die Hülle meines alten Lebens. Ich kehrte sogar in meinen alten Job im Zed zurück, nachdem ich mich Sergei gegenüber zerknirscht gezeigt hatte. Ich brauchte das Geld, aber es war ein seltsames Gefühl. Es war gerade so, als wären die Ereignisse des Sommers gar nicht real. Doch sie wurden mir wieder in Erinnerung gerufen, als ich eines Tages Callum über den Weg lief.
    «Hey, Sean», begrüßte er mich. «Hab dich ja schon lange nicht gesehen. Was hast du die ganze Zeit getrieben?»
    Da erst dämmerte es mir. Er hatte keine Ahnung, dass ich weg gewesen war. Die Leute führen ihr eigenes Leben, und es war eitel zu glauben, dass ich im Leben von irgendwem eine größere Rolle spielte.
    «Hast du schon Karten für das New Wave im Bahnhof Barbican?», fragte Callum.
    Er war überrascht, als ich ihm sagte, dass ich davon gar nichts mitgekriegt hatte. Früher hätte ich nichts Eiligeres zu tun gehabt, als mir Tickets zu besorgen, doch jetzt ließ mich die Nachricht völlig kalt. Als ich darüber nachdachte, fiel mir außerdem ein, dass ich seit meiner Rückkehr weder im Kino gewesen noch einen Film geschaut hatte. Es war gar nicht mal eine bewusste Entscheidung; ich hatte einfach Wichtigeres zu tun.
    Chloe hätte das gut gefunden.
    Nach all den Ängsten und dem, was ich mir in den düstersten Farben ausgemalt hatte, war meine Verhandlung fast schon eine Enttäuschung. Kurz war die Rede davon, mich wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, aber das ließ man dann irgendwie unter den Tisch fallen. Jules’ Vergangenheit als Drogendealer und Schläger wie auch die Art, wie er Chloe behandelt hatte, sprachen für mich. Selbst die Tatsache, dass ich juristisch betrachtet sein Auto geklaut hatte,
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