Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern
Autoren: Kajsa Ingemarsson
Vom Netzwerk:
übermüdet, schloss ich die Augen und dachte an Mikael. Ich dachte, dass mich unsere Liebe zurückbefördern würde, wenn ich es schaffte, mich ganz stark darauf zu konzentrieren. Unsere Liebe war der Anker, den ich benötigte, der solide Kern, der mich aus diesem Albtraum befreien und wieder nach Hause, in mein richtiges Leben bringen würde.
    Trotzdem fiel es mir schwer, dieses Gefühl zu fokussieren. Immer wieder entglitt mir das Bild unserer glücklichen Ehe, und meine Erinnerung rutschte weg wie nackte Füße auf einer nasskalten Klippe. Ich kniff die Augen noch fester zu und zwang meinen Kopf, weiterzusuchen, bis ich schließlich den Ansatzpunkt fand, den ich verzweifelt zu fassen versucht hatte.

Wir hatten uns in einer Bar kennengelernt. Ich war achtundzwanzig und Mikael zwei Jahre älter. Er fiel mir sofort auf. An seinem Lächeln war etwas Besonderes. Selbst wenn er ernst aussah, war es da. Er sah mich an und lächelte, ohne die Mundwinkel zu bewegen. Ich schaute ab und zu zur Seite, doch immer traf mich sein Blick, jedes Mal, wenn ich versuchte, ganz diskret in seine Richtung zu schauen. Sobald ich ihm meine Aufmerksamkeit schenkte, war er für mich da. Sein Lächeln zog mich magisch an, und plötzlich standen wir nebeneinander. Es war ein Samstagabend und das Lokal übervoll, alle grölten und drängelten. Eigentlich traf sich hier wirklich kein Pöbel, aber es war der Alkohol, der bewirkte, dass die Leute laut wurden. Ich selbst hatte auch ein paar Drinks zu mir genommen; seit Mikael hereingekommen war sogar in kürzeren Abständen. Sein fordernder Blick machte mich nervös, er zeigte auf mein Glas und fragte, ob er mir noch einen ausgeben dürfe. Ich nickte gelassen. Meine Hand war zittrig, als ich das Glas entgegennahm, und ein paar Tropfen fielen auf meine Bluse. Er entschuldigte sich sofort, obwohl es nicht seine Schuld war, hatte gleich eine Serviette parat und nahm mir das Glas ab, während ich so tat, als ließe sich die Flüssigkeit, die bereits in dem dünnen Stoff verschwunden war, noch abwischen.
    »Ich heiße Mikael«, sagte er und reichte mir wieder den rötlich schimmernden Drink. Seine Stimme war angenehm.
    »Rebecka.«
    »Zum Wohl!« Er hob sein Bierglas, und wir nahmen einen Schluck. Am Strohhalm zeichnete sich ein Abdruck meines roten Lippenstiftes ab, was gut war, denn das hieß, dass die Farbe noch an meinen Lippen haftete. Ich feuchtete sie mit der Zunge wieder an. Eine instinktive Bewegung. Mikael bemerkte es. Und ich sah, dass er es bemerkte.
    »Das ist Stellan, mein Freund.«
    Der Typ, der neben Mikael auftauchte, war blond und hatte auch helle Augenbrauen und Wimpern. Seine Haut war von Narben gezeichnet, wahrscheinlich die Folgen einer juvenilen Akne, doch gleichzeitig war er sonnengebräunt. Offenbar ging er ins Solarium, um den Defekt zu verbergen, dachte ich mir. Insgeheim wünschte ich mir, er würde verschwinden. Ich hatte keine Lust, Mikael mit jemandem zu teilen, der versuchte, ihn abzulenken und seine Aufmerksamkeit mit Insider-Späßen zu erhaschen. Ich wollte ihn lieber ganz für mich. Schon am ersten Abend.
    »Hallo, nett, dich kennenzulernen, Rebecka.«
    »Rebecka, wie spannend …« Er grinste und sah Mikael mit großen Augen an.
    Ich gab mir Mühe, nicht zu unfreundlich zu sein. Schließlich wollte ich nicht offen zeigen, wie gern ich ihn wieder losgeworden wäre.
    »Ich bin hier mit meiner Freundin Mette«, sagte ich und tat so, als würde ich mich nach ihr umsehen. »Ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen. Sie wollte zur Toilette und ist dann nicht mehr aufgetaucht.«
    »Bist du besorgt?« Mikael sah mich wieder an.
    »Nein, eigentlich nicht. Bei Mette muss man sich keine Gedanken machen.«
    Was für belangloses Zeug wir redeten. Das tut man nur, bis man feststellt, dass das Leben auf der Stelle zu Ende sein kann und wirklich jedes Wort kostbar ist.
    »Wie sieht sie denn aus?«
    »Wer? Mette? Sie ist rothaarig und trägt Schwarz.« Kaum hatte ich das Wort rothaarig ausgesprochen, drehte Stellan den Kopf nach ihr um, und ich sah, wie er die Menschenmenge absuchte. Die Reaktion von Männern auf rote Haare hat etwas Tierisches. Als ich ein Teenie war, konnte ich es mir nicht verkneifen, mit Henna zu experimentieren, doch das Ergebnis war kein Vergleich zu Mettes natürlichen Kupfertönen. Ich wirkte einfach nur blass und – ehrlich gesagt – sah ich aus wie eine Kommunistin. Die Männer, die nach feurigen Rotschöpfen Ausschau hielten, sahen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher