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Der Himmel auf Erden

Der Himmel auf Erden

Titel: Der Himmel auf Erden
Autoren: Ake Edwardson
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hast. Wie heißt du? Weißt du das nicht? Dooooch, du weißt es.
    Das ist Bill. So heißt er. Bill. Billy Boy. Er kann fliegen. Siehst du? Fliegen, fliegen, fliegen.
    Ellen. Heißt du Ellen? Das ist aber ein hübscher Name. Das ist ein feiner Name. Weißt du, wie meine Mama hieß? Nein, das kannst du nicht wissen.
    Was meinst du? Hatte meine Mama nicht einen schönen Namen?
    Möchtest du noch mehr haben? Du kannst die ganze Tüte nehmen.
    Hi… hi… hier kokokokommt sie.
    Er berührte den Kopf des Mädchens mit der Hand. Die Haare waren wie die Daunen eines kleinen Vogels, eines Vogels, der lebendig war, und dessen Herz man dort drinnen spüren könnte. Er hatte das einmal bei einem kleinen Vogel gefühlt, der viel kleiner war als Bill. Damals, als er selbst noch so klein wie ein Vogel gewesen war. Er berührte sie wieder. Der Mann im Radio sagte etwas. Er konnte fast nicht atmen, drehte vorsichtig das Fenster herunter, und da war Luft zum Atmen. Er berührte das Mädchen, die Daunen, sie war so klein. Das Mädchen sagte etwas.
    *
    Der Abend senkte sich. Die Sonne hing zwischen den Häusern wie eine Erinnerung, die Winter einatmete. Zwischen den Zügen aus seinem Corps auf dem Balkon konnte er den späten Herbst in der Luft spüren. Der Vasaplatsen unter ihm leerte sich langsam. Alle brachen auf nach Hause und ließen ihn und seine Familie dort zurück, wo sie zu Hause war.
    Angela hatte schon länger nicht mehr von einem Haus gesprochen, und er wusste, dass sie seiner Meinung war, immer seiner Meinung gewesen war. Die Stadt war für sie gemacht und sie für die Stadt. Die steinerne Stadt, das Herz. Herz aus Stein, dachte er und nahm wieder einen Zug. Ein hübsches Herz aus Stein. Hier war es leichter zu leben. In den Villenvierteln zum Meer hinunter wurde man schneller ein müder Mensch. Man alterte schneller. Himmel, er war selbst schon ziemlich alt. Zweiundvierzig. Oder dreiundvierzig. Im Augenblick wusste er es nicht mehr genau, und das machte auch nichts.
    Er fröstelte in seinem Hemd, wartete jedoch, während der Zigarillo in seiner Hand erlosch, wie der Abend da draußen. Unten glitten ein paar Jugendliche vorbei auf Inlineskates, selbstverständliche Bewegungen. Er hörte ihr Lachen bis hier herauf. Sie waren auf dem Weg.
    Er ging hinein. Elsa sah ihn an, kam zu ihm und brachte ihm eine Zeichnung. Ein Vogel, der vor einem blauen Himmel flog. In den letzten Wochen waren ihre Zeichnungen voll von Blau und Gelb gewesen, das sollte Sand und Himmel und Erde vorstellen, grün, das waren die Sommerweiden, wo Blumen in all den Farben blühten, die es im Kreidekasten gab. Immer Sommer. Der Herbst hatte Elsa noch nicht erreicht. Er hatte Blätter mit ihr unten im Park gesammelt und mit nach oben genommen, um sie zu trocknen. Aber sie wartete noch damit, den Herbst in Bilder umzusetzen. Auch das war gut so.
    »Ein Vogel«, sagte sie.
    »Was ist das für ein Vogel?«, fragte er. Sie schien nachzudenken.
    »Möwe«, sagte sie dann.
    »Lachmöwe«, sagte er.
    »Lachmöwe«, wiederholte sie und setzte sich vor ein leeres Blatt Papier.
    »Lachmöwe«, sagte er zu Angela, die aus Elsas Zimmer kam. »Eigentlich sollte man sie eher Scheißmöwen nennen.«
    »Scheiß«, sagte Elsa.
    »Da hast du es«, sagte Angela.
    »Das Wort kann sie schon lange«, sagte Winter. »Lass die Möwe ein wenig lachen«, sagte er zu Elsa und lachte selber, hahaha-HA-HA. Erst sah sie ängstlich aus, aber dann lachte sie auf.
    Winter nahm ein Stück Malkreide und ein Blatt Papier und zeichnete etwas, das eine lachende Möwe darstellen sollte. Für diese Möwenart gab es sogar einen Namen, und den schrieb er oben drüber, Ludwig Lachmöwe, wie eine Erinnerung für die Nachwelt. Das war seine erste Zeichnung seit dreißig Jahren.
    »Es sieht aus wie ein fliegendes Ferkel«, sagte Angela.
    »Ja, ist das nicht phantastisch? Ein lachendes Schwein, das fliegen kann.«
    »Schweine können fliegen«, sagte Elsa.
    *
    Sie saßen bei einem Glas Rotwein am Küchentisch. Elsa schlief. Winter hatte ein paar Brote mit Sardellen belegt, die hatten sie aufgegessen.
    »Davon kriegt man Durst«, sagte er, stand auf und holte mehr Wasser.
    »Ich hab Bertil bei uns auf der Station getroffen«, sagte Angela.
    »Ja, er war dort.« Sie strich sich über die Nasenwurzel. Er sah einen schwachen Schatten unter ihrem einen Auge, nur dem einen. Sie war müde, er nicht. Nicht sehr jedenfalls, nur so müde, wie man eben nach einem Tag Arbeit war. Sie konnte ihre Arbeit als Ärztin
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