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Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Titel: Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel
Autoren: Verschiedene
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unterzustellen und zu warten, bis das Unwetter weitergezogen war. Ich verwarf den Gedanken sofort wieder. Die Sorge um Sill trieb mich voran; ich mußte den Ashton Place so schnell wie möglich erreichen. Außerdem war ich ohnehin naß bis auf die Knochen, und wahrscheinlich würde ich mir mindestens eine saftige Erkältung einhandeln. Das Gewitter konnte noch Stunden andauern, und wenn ich mich – naß, wie ich nun schon war – irgendwo unterstellte, statt mich zu bewegen, würde höchstwahrscheinlich eine Lungenentzündung daraus werden. Ich brauchte schnellstens trockene Kleidung und einen starken Grog. Beides konnte ich nur zu Hause bekommen. Oder...
    Ich ärgerte mich, daß ich nicht früher auf den Gedanken gekommen war. Der Ashton Place lag fast am entgegengesetzten Ende von London. Wesentlich näher lag die Kanzlei Dr. Grays. Er würde nicht gerade begeistert sein, zu dieser Zeit aus dem Schlaf gerissen zu werden, aber der Ärger würde sich bei meinem Anblick wohl schnell legen.
    Noch schneller als zuvor hastete ich weiter.
    Meine Gedanken kreisten um die beiden Unbekannten, die uns überfallen hatten. Noch einmal sah ich das gräßlich deformierte Gesicht vor mir und spürte den Schmerz, als ich nach dem Mann geschlagen hatte. Es gab keinen Zweifel, daß Magie für die Verwandlung verantwortlich war, aber dadurch wurde das Verhalten der Unbekannten nur noch unverständlicher.
    Wer waren die Männer? Warum hatten sie uns überfallen, und warum hatten sie sich damit begnügt, uns nur niederzuschlagen, anstatt uns umzubringen, als sie die Gelegenheit dazu hatten?
    Ich spürte ein leichtes Kribbeln im Arm und fühlte eine kleine Schwellung, als ich mit der Hand darüberstrich. Wahrscheinlich ein Bluterguß, der vom harten Griff des Unheimlichen herrührte.
    Eine unbedeutende Verletzung.
    Dachte ich...

    * * *

    »Ich möcht wissen, wo der Kleene steckt«, murmelte Rowlf zum wiederholten Male. Zusammen mit Howard saß er in der Bibliothek des Andara-Hauses, obwohl es bereits weit nach Mitternacht war. Mehr aus Verzweiflung denn aus Wut schlug er mit der Faust auf die Lehne seines Sessels, die ein bedenkliches Knirschen von sich gab. »Wenigstens ’ne kurze Nachricht hätter inner ganzen Zeit ja ma schickn könn’, oda?«
    Auch Howard machte sich Sorgen um Robert, aber er ließ sich seine Unruhe nicht anmerken. Versonnen blickte er in die Flammen des Kaminfeuers, das eine behagliche Wärme im Raum verbreitete, sog gelegentlich an seiner Zigarre und blies stinkende graue Rauchwolken in die Luft.
    Sie waren selbst erst vor zwei Tagen nach London zurückgekehrt und hatten hier erst von Roberts Verschwinden erfahren.
    Howard sprach nicht aus, was er dachte. Es entsprach wirklich nicht Roberts Art, fast vier Monate lang spurlos unterzutauchen, ohne irgendein Lebenszeichen von sich zu geben.
    Falls er dazu in der Lage war.
    Das war der springende Punkt. Howard wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Es mochte tausend und mehr völlig harmlose Erklärungen geben, warum Robert sich nicht meldete. Niemand wußte, wo er nach dem Durchgang durch das Tor, das sich in der Wanduhr in seinem Arbeitszimmer verbarg, herausgekommen war. Es konnte sein, daß er irgendwo am anderen Ende der Welt gelandet war und einfach noch keine Möglichkeit gehabt hatte, eine Nachricht abzuschicken.
    Aber es gab auch mindestens ebenso viele mögliche Erklärungen, die weit weniger harmlos waren – dafür aber sehr viel wahrscheinlicher.
    Die Kette der Möglichkeiten begann damit, daß er überhaupt nicht erst aus dem Tor herausgekommen war, denn das Transportsystem der GROSSEN ALTEN wurde von Tag zu Tag instabiler, und sie endete damit, daß sie sich wegen Todesfall einen neuen Helden für die Serie suchen mußten. Dazwischen lag eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, und Howards Phantasie reichte aus, sich genügend Schicksale vorzustellen, die schlimmer als der Tod sein mochten.
    Aber er sprach nichts von alldem aus. Er wußte, wie sehr Rowlf an dem »Kleinen« hing, auch wenn man ihm aufgrund seines grobschlächtigen Äußeren kaum mehr als die Sensibilität eines besonders dickhäutigen Nilpferdes zutraute. Es nutzte niemandem, solchen düsteren Gedanken nachzuhängen.
    Das Läuten der Türglocke ließ ihn auffahren. Hastig erhob er sich, aber noch schneller war Rowlf. Der Hüne stürmte an ihm vorbei durch die Eingangshalle und riß das Portal auf.
    »Wat wollnse?« fuhr er die Frau auf der Schwelle mit unverhohlener Enttäuschung
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