Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Titel: Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
konnte.
    Howard. Rowlf. Priscylla...
    Bevor die Wunde wieder aufbrechen konnte, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
    Ein Schrei!
    Obwohl er in weiter Entfernung erklang und durch das Rumpeln der Kutsche fast übertönt wurde, durchfuhr es mich heiß und kalt. Oftmals schon hatte ich Schreie dieser Art hören müssen. So schrien Menschen in Todesangst!
    Ich sprang auf und schlug mit der Faust kräftig gegen die Holzverkleidung zum Kutschbock. Von draußen erklang ein unwilliges Brummen, dann wurde ein kleines Schiebefenster zur Seite gerückt. Das Gesicht des Kutschers erschien in der Öffnung. »Sir?«
    »Halten Sie – schnell!« fuhr ich ihn an; heftiger, als es notwendig gewesen wäre.
    Das Gesicht verzog sich fragend und verschwand wieder. »Brrr! Hoo, Lizzy, hoo!« Die Kutsche kam langsam zum Stillstand. Ich riß den Schlag auf und sprang mit einem Satz ins Freie. Mein Rausch war wie fortgeblasen; der Schrei hatte mich von einem Moment auf den nächsten ernüchtert.
    Der Kutscher sah mich dümmlich an. »Ist irgend etwas nicht in Ordnung, Sir?« fragte er.
    »Haben Sie den Schrei nicht gehört?«
    »Einen Schrei?« entgegnete er. »Wissen Sie, Sir, meine Ohren sind nicht mehr so –«
    »Still!« unterbrach ich ihn. »Hören Sie!«
    Da war er wieder, der Schrei aus der Ferne. Jetzt konnte ich sogar die Richtung bestimmen. Ohne länger zu zögern schwang ich mich auf den Kutschbock hinauf, ignorierte die hilflosen Gesten meines Fahrers, der offensichtlich glaubte, ich läge im Delirium, und deutete mit dem Arm in die Richtung, aus der der Schrei erklungen war. »Schnell, Mann, machen Sie schon! Da ist eine Frau in Gefahr! In Lebensgefahr!«
    Endlich begriff er und lenkte seinen Gaul herum. Die lange, dünne Peitsche fuhr auf den Rucken des Tieres nieder.
    Trotzdem war er noch nicht vollends überzeugt. »Wird wohl ein Ehekrach gewesen sein, Sir«, warf er ein. »Kommt in dieser Gegend des öfteren vor. Bestimmt ist es nichts Ernstes.«
    Ich hörte ihm kaum zu, sondern starrte angestrengt nach vorn, versuchte die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Die Schreie waren verstummt. Verdammt! Kam meine Hilfe zu spät?
    Die Kutsche holperte über immer schlechter werdende Straßen. Auch die Gebäude zu beiden Seiten machten einen immer verfalleneren Eindruck, je weiter wir kamen. Die Gaslaternen am Straßenrand wurden seltener und blieben schließlich ganz aus. Und immer noch war nichts zu sehen oder zu hören.
    Fast wollte ich schon aufgeben, als sich plötzlich ein massiger Schatten vor uns aus der Dunkelheit schälte. Gleichzeitig begann das Pferd des Kutschers zu scheuen und wieherte schrill auf.
    Das Tier hatte Angst, panische Angst! Was immer da vor uns auf der Straße hockte, es mußte so gefährlich sein, daß es die Instinkte des Kutschengaules weckte. Ein Raubtier vielleicht? Hier, in London?
    »Halten Sie. Ich sehe mir die Sache aus der Nähe an«, sagte ich und wollte mich vom Bock schwingen, aber der Kutscher hielt mich am Rockaufschlag zurück.
    »Sir! Bleiben Sie hier! Ich werde gehen.« Mit diesen Worten klappte er die schmale Fußbank zurück und griff hinein. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, umschloß sie den blankpolierten Lauf eines Trommelrevolvers.
    Der gute Mann mochte wohl denken, ich sei ein übermütiger adliger Geck, der sich der Gefahr nicht bewußt war, doch mir fehlte die Zeit, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Ich riß die Waffe aus seinen Fingern, schlug die Hand beiseite, die noch immer meinen Kragen hielt, und ließ mich zur Seite fallen.
    Ich kam mehr schlecht als recht auf dem Straßenpflaster auf, kämpfte einen Moment um mein Gleichgewicht und blickte mich nach allen Seiten um. Doch der massige Schatten, den ich eben noch kaum zehn Schritt entfernt gesehen hatte, war verschwunden!
    Nein, nicht veschwunden, ich sah ihn gerade noch um eine Straßenecke biegen. Er floh!
    Ohne lange zu überlegen sprintete ich los – und stolperte fast über die zierliche Gestalt, die reglos ein paar Schritte weiter am Boden lag.
    Es war ein Mädchen, nicht älter als zwanzig Jahre. Sekundenlang wußte ich nicht, was ich tun sollte: den Kerl verfolgen, der das Mädchen offensichtlich überfallen und vielleicht gar mißbraucht hatte, oder mich um die Kleine kümmern. Ich beugte mich rasch über sie und tastete nach ihrem Puls. Gott sei Dank, sie lebte!
    Hastig sprang ich wieder auf und wandte mich nach der Kutsche um. Der Droschkenfahrer kam bereits mit eiligen Schritten auf mich zu.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher