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Der Hexer - NR23 - Im Netz der toten Seelen

Der Hexer - NR23 - Im Netz der toten Seelen

Titel: Der Hexer - NR23 - Im Netz der toten Seelen
Autoren: Verschiedene
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eine Frau und drei Kinder zu versorgen«, verteidigte Bowland seinen Kollegen. Er sprach mit ruhiger, abgeklärter Stimme, die Jacksons Nervosität aber nur teilweise zu beschwichtigen vermochte. Er war schon den ganzen Abend über gereizt, und er gab viel auf seine Stimmungen. Sein Gefühl hatte ihn selten getrogen. Und jetzt signalisierte es ihm drohendes Unheil.
    Gegenwärtig aber war davon wenig zu spüren. Sie saßen in einem winzigen Verschlag, der früher eine Art Abstellkammer gewesen war, bis sie ihn sich als Wachstube ausgebaut hatten. Ihre Aufgabe lautete zwar, ununterbrochen Patrouillengänge durch die Fabrikgebäude durchzuführen, aber wer kontrollierte sie um diese Zeit schon? Nicht einmal der Schinder Carringham ließ sich nachts blicken. Der saß in seiner prächtigen Villa, während sie sich für einen Hungerlohn die Nacht um die Ohren schlagen mußten, um am Monatsanfang wenigstens etwas Geld nach Hause tragen zu können. Nicht genug, um zu leben, aber gerade genug, um nicht jämmerlich zu verrecken.
    Jedenfalls rissen sie sich kein Bein aus. Es würde ohnehin niemand auf die Idee kommen, Flachs oder das verarbeitete Leinen zu stehlen. Dafür saß die Angst vor der Gesellschaft und der Polizei viel zu stark in den Einwohnern von Arcenborough. Und von weither würde deswegen auch niemand kommen. Also saßen sie in der improvisierten Wachstube und vertrieben sich die Zeit mit Kartenspielen.
    Jackson galt allgemein als Glückspilz. Doch an diesem Abend schienen sich die Karten gegen ihn verschworen zu haben. Er konnte sich nicht konzentrieren, jeder Bluff geriet ihm zu offensichtlich, und wenn er eine Karte kaufte, war es garantiert die Falschestmögliche. Er hätte am liebsten aufgehört, wenn es nicht der einzige Zeitvertreib gewesen wäre. Aber er vermochte sich auch nicht auf das Spiel zu konzentrieren. Etwas Unheimliches ging vor in Arcenborough. Er spürte das Unheil mit jeder Faser seines Körpers.
    Bowland ließ das alles kalt, so wie es überhaupt nichts zu geben schien, was ihn wirklich berührte. Er ging bereits auf die sechzig zu. Sein schütteres Haar war im Laufe der Jahre schlohweiß geworden, Sorge und Häme hatten tiefe Falten in sein Gesicht gegraben. Er arbeitete bereits seit seiner Kindheit für die ATC. Früher an den Webstühlen, jetzt, da seine alten Knochen die Belastung nicht mehr mitmachten, als Nachtwache. Es schien nichts zu geben, was ihn aus der Ruhe bringen konnte. Jackson hatte ihn niemals aufgeregt oder gar wütend erlebt. In seinem hageren Körper steckte ein ausgeglichenes Naturell, um das Jackson ihn beneidete.
    Er selbst war aufbrausend und schnell reizbar, sobald etwas anders als erwartet lief. Die monotone Arbeit machte ihn kaputt, aber es gab keine Wahl für ihn. Er war nicht kräftig genug, um als Viehtreiber zu arbeiten. Ganz abgesehen davon, daß es in der Umgebung kaum noch Farmen gab, war sein Körper keiner Belastung gewachsen. Nachdem er sich jahrelang mehr schlecht als recht durchs Leben geschlagen hatte, war er schließlich nach Arcenborough gezogen und hatte bei der ATC eine Anstellung als Wächter gefunden. Ein verdammter Scheißjob, wie er bei jeder sich bietenden Gelegenheit hören ließ, aber immer noch besser als gar nichts.
    Von Anfang an war Bowland eine Art Vorbild für ihn gewesen, aber es war ihm nie gelungen, sich die Ruhe des zwanzig Jahre älteren Mannes zueigen zu machen. Vielleicht lag es daran, daß Bowlands Frau schon vor vielen Jahren gestorben war, und er seither allein lebte. Bei einer Arbeit wie dieser konnte eine Ehe zum Fluch werden.
    Hank Jackson dachte an seine Annie, die tagsüber in der Spinnerei arbeitete. Sein Lohn allein reichte nicht aus, sie beide zu versorgen, und selbst so reichte das Geld vorne und hinten nicht. An Kinder war überhaupt nicht zu denken. Es gab niemanden, der sie hätte erziehen können. Hank hatte es nie zugegeben, nicht einmal sich selbst gegenüber, aber er hatte keine Familie; im Grunde genommen existierte seine Ehe gar nicht, und diese verdammte Gesellschaft trug die Schuld daran.
    Bowland entging die Unruhe seines Freundes nicht. Seinen hellwachen grauen Augen schien überhaupt nichts verborgen zu bleiben, nicht einmal die geheimsten Gedanken, wie Bill Stone einmal gesagt hatte.
    »Was ist heute mit dir los?« fragte er, wobei er mit scheinbarer Gleichgültigkeit die Karten mischte. Seine Finger bewegten sich dabei wie kleine, flinke Schlangen.
    »Ich mache mir nur Sorgen um Bill.« Langsam
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