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Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Titel: Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
Autoren: Verschiedene
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in seine Richtung zu sehen, spürte ich seinen Blick mit fast unangenehmer Deutlichkeit.
    Von draußen ertönte wieder der schrille Pfiff der Lokomotive. Ein erster, noch sanfter Ruck ging durch den Zug, dann faßten die Räder, und der Zug fuhr an.
    Als ich wieder aufblickte, starrte mich der Fremde noch immer an. Diesmal hielt ich seinem Blick stand; wenn auch nicht sehr lange. Der Blick seiner grauen, blitzenden Augen war... unangenehm. Sie sahen gar nicht aus wie lebende Augen, sondern wirkten vielmehr wie buntbemalte Glaskugeln, und die Härte, die ich darin las, ließ mich schaudern.
    Schließlich senkte ich ein zweites Mal den Blick, griff nach der Zeitung neben mir und tat so, als lese ich. Aber ich spürte seinen Blick weiter.
    Schließlich wurde es mir zu bunt. Mit einer Geste, die selbst dem dümmsten Trottel klar gemacht hätte, daß meine Geduld am Ende war, senkte ich die Zeitung und blickte mein Gegenüber feindselig an. »Excusez-moi, Monsieur«, begann ich, wurde aber sofort von dem Fremden unterbrochen.
    »Sie können ruhig Englisch sprechen, Mister«, sagte er und entblößte dabei ein wölfisches Gebiß, das wie poliertes Silber blitzte. »Das erleichtert die Sache. Ich. spreche Ihre Sprache.«
    Ich nickte überrascht. Meine Französischkenntnisse waren mit den beiden Worten, die ich gesagt hatte, in der Tat so gut wie erschöpft, aber der hochmütige Ton, in dem der Bursche sprach, brachte irgend etwas in mir zum Kochen. Er war nicht einmal aggressiv – aber er sprach mit einer Kälte, als wäre sein Stimmapparat aus dem gleichen Stahl, aus dem sein unappetitliches Gebiß bestand. Trotzdem schluckte ich die scharfe Entgegnung, die mir auf den Lippen lag, noch einmal herunter, bedachte die Silberzähne meines Gegenübers mit einem bewußt angewiderten Blick und fragte: »Woher wissen Sie, daß ich Engländer bin?«
    »Sie lesen eine englische Zeitung«, antwortete er.
    »Scharf beobachtet.«
    »Nicht besonders«, sagte der Fremde. »Es fällt auf, wenn jemand in Frankreich eine englische Zeitung liest. Ich bin nicht dumm.«
    Diesmal kostete es mich wirklich meine ganze Selbstbeherrschung, ihm nicht die Antwort zu geben, die er verdiente.
    Wütend faltete ich die Zeitung ganz auseinander, lehnte mich in die Polster zurück und hielt das Blatt vor das Gesicht, um wenigstens seinem unangenehmen Blick entzogen zu sein.
    Aber mein eisenzähniger Mitreisender gab nicht so leicht auf. Zwei, vielleicht drei Minuten lang spürte ich seine bohrenden Blicke durch das Papier der Zeitung hindurch, dann räusperte er sich so lautstark, daß ich unwillkürlich die Zeitung sinken ließ und ihn ansah.
    »Bis Paris kommt jetzt keine Haltestelle mehr«, sagte er.
    »Und?«
    »Nichts, und.« Er zuckte mit den Achseln und grinste. Dabei sah ich, daß seine Zähne wirklich aus Eisen waren. Nun ja, das war sein Problem. Paris war schließlich nicht nur eine Stadt der High-Society, sondern auch der Sonderlinge – um nicht zu sagen, Spinner. Und vermutlich kam ich ihm mit meiner weißen Strähne im Haar genauso verrückt vor wie er mir. Ich seufzte und verkroch mich wieder hinter meiner Zeitung.
    »Es ist praktisch, daß wir nicht mehr halten«, sagte Eisenzahn kalt. Eigentlich sprach er gar nicht wie ein Mensch, sondern zählte Tatsachen auf. Kalt, sachlich und ohne die geringste Spur irgendeines Gefühles. »Dann kann mich wenigstens niemand stören.«
    »Wobei?« fragte ich in bewußt gelangweiltem Ton.
    Diesmal antwortete er nicht – worüber ich nicht sonderlich böse war –, aber nach ein paar Sekunden hörte ich die Sitzpolster quietschen; dann schien das ganze Abteil zu erbeben, als er aufstand und mit einem schwerfälligen Schritt auf mich zutrat.
    Vollends am Ende meiner Geduld angelangt, ließ ich die Zeitung sinken, starrte wütend zu ihm empor – und erstarrte.
    Eisenzahn stand breitbeinig vor mir. Seine Hände waren halb erhoben und geöffnet, als wollte er mich packen. Sein Gesicht war noch immer so reglos wie eine Wachsmaske, aber in seinen Augen war plötzlich ein Glanz, der mich schaudern ließ.
    »Was soll das?« fragte ich. »Was haben Sie vor?«
    »Was soll ich schon vorhaben, Craven«, sagte Eisenzahn. »Ich bringe Sie um – was denn sonst?«
    Und dann geschah alles gleichzeitig.
    Seine Hände zuckten nach meinem Hals. Die Finger waren wie tödliche Krallen gekrümmt. Im gleichen Augenblick stieß sein Knie hoch und versuchte, mich zwischen die Oberschenkel zu treffen.
    Dem Kniestoß wich ich
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