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Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Titel: Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
Autoren: Verschiedene
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Lokomotive stieß einen schrillen Pfiff aus, dann fiel der Schatten der Brücke direkt über unseren Wagen. Eisenzahn versuchte noch zu reagieren, wirbelte mit übermenschlicher Schnelligkeit herum und duckte sich gleichzeitig. Aber obwohl er sich mindestens doppelt so schnell bewegte wie ein normaler Mensch, hatte er die Drehung nicht einmal halb beendet, als der Zug unter der Brücke hindurchdonnerte.
    Es war eine sehr niedrige Brücke. So niedrig, wie ich gehofft hatte. Sogar noch ein bißchen niedriger...

    * * *

    »Pardon, Monsieur – wie war doch gleich Ihr Name?« Der livrierte Lakai, der nach dem dritten Klopfen unter der Tür des Hauses in der Rue des Gascogne No. 17 erschienen war und den beiden sonderbaren Besuchern den Einlaß verwehrte, legte demonstrativ seine Stirn in Falten. »Oh-ahr?«
    »Howard«, sagte der Ältere der beiden, ein hagerer, eher konservativ gekleideter Gentleman mit scharfgeschnittenen Zügen, der ein erbärmlich stinkendes Zigarillo rauchte und mit der anderen Hand mit einem Stockschirm spielte. »Howard Phillips Lovecraft, um genau zu sein. Aber Howard dürfte genügen. Wenn Sie mich jetzt bitte Monsieur Benoit melden würden?«
    Der Lakai hob in einer abwehrenden Geste die Hände. »Ich fürchte, Sie unterliegen einem bedauernswerten Irrtum, Monsieur«, sagte er und warf Howards Begleiter, einem bulligen, vierschrötigen Kerl mit der Gestalt eines Preisboxers samt der dazu passenden breitgeschlagenen Nase, einen fast ängstlichen Blick zu. »Hier wohnt kein Monsieur Benoit«, fuhr er hastig fort. »Dies ist das Stadthaus von Monsieur Guy de Mortignac. Von einem Monsieur – äh... Benoit habe ich noch nie gehört. Vielleicht war es der Vorbesitzer des Hauses.«
    »Un seit wann wohnta hier, dieser Monsö Moritkack?« erkundigte sich Howards Begleiter in einem Französisch, das noch zerschlagener wirkte als sein Gesicht. »Vielleich holnsen ma her. Kann ja sein, dasser was übba Bennoa weiß.«
    Der Lakai erbleichte, schien aber nach einem weiteren Blick auf Rowlfs schaufelgroße Hände zu der Ansicht zu kommen, daß es besser wäre, die Beleidigung zu überhören. »Ich fürchte, auch das wird nicht möglich sein, Monsieur«, erwiderte er steif. »Die Herrschaften sind auf ihr Landgut gefahren – und ich weiß nicht, wann sie wiederkommen«, fügte er hastig hinzu.
    Rowlf setzte zu einer wütenden Entgegnung an, aber Howard legte ihm rasch und beruhigend die Hand auf den Unterarm. »Laß gut sein, Rowlf«, sagte er und fügte an den Lakai gewandt hinzu: »Bitte entschuldigen Sie die Störung, mein Freund. Vielleicht habe ich mich wirklich in der Hausnummer getäuscht. Es ist lange her, daß ich in Paris war. Au revoir.«
    »Au revoir, Monsieur.« Verwirrt blickte der Lakai den beiden Männern nach, die auf dem Absatz kehrt machten und auf die um diese Tageszeit beinahe leere Rue de Gascogne hinaustraten. Von hinten boten ihre so ungleichen Gestalten – der eine ein Kleiderschrank von einem Mann, der andere eine wahre Bohnenstange – einen fast komischen Anblick. Der Lakai begann sich zu fragen, warum er sich jemals vor diesen beiden gefürchtet hatte. Aber als er mit einem Kopfschütteln die schwere, reich verzierte Eichentür wieder schloß, überlief ihn ein merkwürdiger Schauer, der auch nicht vergehen wollte, nachdem er sich ausgiebig an dem Likörkabinett seiner Herrschaften bedient hatte.
    Die beiden Männer, das spürte er, waren der Verzweiflung nahe gewesen. Und Verzweifelte taten oft Dinge, die irrational und gefährlich waren.

    * * *

    »Die wievielte Adresse war das?«
    Rowlfs grollende Stimme riß Howard Lovecraft aus seinen düsteren Gedanken. Sie waren von der Rue de Gascogne abgebogen und promenierten nun die belebtere Rue de Rivoli entlang. Junge, vorwiegend weiß gekleidete Damen an den Armen ihrer Kavaliere, Kinder in blauen Matrosenanzügen und zartrosa gerüschten Kleidchen, die vornehm herausgeputzt zwischen ihren Eltern von Auslage zu Auslage der teuren Geschäfte stolzierten, zwei- und vierspännig gezogene Kutschen – es war ein Treiben, das das Herz eines jeden Flaneurs höher schlagen lassen mußte. Nur Rowlf und er schienen nicht so recht hierher zu passen. Sie waren zu düster für dieses heitere Treiben, zwei schwarze Farbtupfer in diesem hellen Gemisch aus Licht, Luft und den schwerelosen Farben des Sommers.
    Aber schließlich war Howard nicht nach Paris gekommen, um den Sommer in dieser ungekrönten Hauptstadt der zivilisierten Welt zu
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