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Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser

Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser

Titel: Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser
Autoren: Verschiedene
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nicht. Er –«
    »– wurde umgebracht«, führte Shannon den Satz zu Ende.
    Ich starrte ihn an. »Umgebracht?« wiederholte ich. »Wie kommst du darauf?«
    Shannon schluckte nervös. Auf seiner Stirn perlte Schweiß, und seine Hände zitterten. Langsam hob er den Arm, trat auf mich zu und berührte meine rechte Hand.
    Es war wie ein Blitz; unerwartet und grell und schmerzhaft und so warnungslos, daß ich instinktiv zurückprallte und versuchte, mich Shannons Griff zu entziehen. Aber seine Hand hielt meine Finger fest.
    Ich sah Bilder.
    Im ersten Moment glaubte ich, in einer vollkommen fremden Umgebung zu sein, einer Welt, die mit der realen nichts zu tun hatte, aber dann begriff ich, daß ich wieder in dem kleinen Haus in Innsmouth war.
    Aber ich sah es jetzt durch Shannons Augen!
    Es gab keine Farben mehr, nur noch Schwarz und Weiß und alle nur denkbaren Schattierungen dazwischen, und auch sie waren verdreht. Was dunkel sein mußte, war hell, und umgedreht. Die flackernde Kerze auf dem Kaminsims verströmte Dunkelheit, und Shannons und Rowlfs Gestalten hoben sich als helle Umrisse vor dem schwarzen Rechteck der Tür ab.
    Aber ich sah nicht nur ihre beiden Schatten.
    Über unseren Köpfen, scheinbar schwerelos und eine Handbreit unter der nackten Holzdecke, schwebte ein Gespinst dünner, weißleuchtender Fäden. Auf den ersten Blick schien es sinnlos ineinander verstrickt und verknotet, und doch bildete es ein kunstvolles Muster wie ein unendlich kompliziertes Spinnennetz.
    Das Gespinst bewegte sich. Überall dort, wo sich die Fäden berührten und kreuzten, pulsierten winzige, strahlend helle Lichtpunkte wie Sterne, und die dünnen Fäden selbst schienen sich in einem unfühlbaren Wind zu wiegen und sanft hin und her zu schwingen.
    Und aus seiner Mitte wuchs ein schlauchförmiger Ausläufer in die Tiefe und verschmolz mit Temples Nacken...
    »Mein Gott!« flüsterte ich. »Was ist das?«
    Temples antwortete nicht. Statt dessen deutete er auf die Tür am anderen Ende des Raumes. Das Gespinst setzte sich auch dort fort, und ein dünner, pulsierender Teil des gewaltigen grauen Netzes wuchs durch die geschlossene Tür hindurch und verschwand im Nebenzimmer.
    Ich wußte, was ich sehen würde. Trotzdem begann mein Herz wie rasend zu hämmern, als ich, Shannons Hand fest umklammert, den Raum durchquerte und die Tür aufstieß.
    Temples Frau schlief noch immer, aber aus der Wiege neben dem Bett drangen kleine, meckernde Laute, die das Neugeborene ausstieß.
    Widerstrebend beugte ich mich über die Wiege und starrte aus schreckgeweiteten Augen auf den silbernen, noch dünnen Faden, der sich wie ein tastender Finger aus dem Gespinst unter der Decke herabsenkte und seinen Nacken berührte.
    Mit einem Ruck löste ich meine Hand aus der Shannons, fuhr herum und stürmte aus dem Zimmer. Die bizarre Vision erlosch. Plötzlich war der Raum wieder normal und vertraut, aber ich glaubte, das grauenhafte Gespinst noch immer zu sehen.
    Shannon folgte mir, aber als ich mich herumdrehte und ihn ansah, war sein Blick leer. Seine Finger zuckten unkontrolliert, und seine Lippen bewegten sich unablässig, ohne daß er auch nur den geringsten Laut hervorbrachte.
    »Was is’n mit dem los?« fragte Rowlf. Auch ihm fiel Shannons sonderbares Verhalten auf, aber anders als ich hatte er das Ding nicht gesehen, das mit uns unsichtbar im Raum war.
    Ich berührte Shannon am Arm und zwang ihn, mich anzusehen. »Shannon!« sagte ich laut. »Was ist mit dir? Rede!«
    »Der Seelenfresser«, murmelte er. Die Worte schienen kaum mir zu gelten; er wirkte noch immer benommen. Nein – nicht benommen – erschüttert – so tief erschüttert, wie ich selten zuvor einen Menschen erlebt hatte. »Er... er ist es, Jeff. Ich täusche mich nicht.«
    »Wer ist was?« fragte ich betont.
    Shannon starrte mich aus geweiteten Augen an. »Die... die Menschen hier«, stammelte er. »Sie sind alle so, nicht?« Plötzlich fuhr er herum, sprang mit einem Satz auf den bewußtlosen Wolfmann zu und erstarrte. Er sagte kein Wort, aber ich wußte, was er sah: ein Bündel glänzender, pulsierender Spinnfäden, die mit dem Nacken des bedauernswerten Geschöpfes verschmolzen, ebenso wie mit dem Curds, Lowrys – und zahlloser anderer. Jedes männlichen Einwohners von Innsmouth.
    »Nein«, stammelte er. »Nicht... nicht das. Nicht...«
    Ich streckte die Hand nach ihm aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern starrte ihn nur mit wachsender Verwirrung an. »Was ist los,
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