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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer
Autoren: Jobst Mahrenholz
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erreichen konnte.
    Also klärte ich telefonisch mit Chip ab, was wir an Fisch und Meeresfrüchten brauchten, um mich im Anschluss in das Gedränge und Gelärme zu den Ständen zu begeben, bei denen ich schon früher immer eingekauft hatte, damals, zur Zeit des Caterings.
    Ich tat dies nicht besonders gerne, denn zum einen markierte es die alte verlorene Zeit, der ich zumindest ein wenig nachtrauerte. Zum anderen funktionierte auch hier das Erinnerungsvermögen der Pächter ganz ausgezeichnet, was immer ein großes Hallo und viel Palaver zur Folge hatte. Aber die Qualität stimmte, und auch der Atmosphäre konnte ich trotz allem nach wie vor etwas abgewinnen.
    Bei einem Espresso in der Hallen-Bar überlegte ich, was nun zu tun sei. Die Einkäufe hatte ich bereits im Wagen verstaut, es stand einer Rückfahrt also nichts im Weg, aber irgend etwas ließ mich zögern.
    Dann schließlich kam mir eine Idee.
    Ich ging zum Münztelefon der Bar und wählte unsere alte Nummer in der Via Cesasre. Vielleicht erfuhr ich ja so etwas über den Verbleib von Shiro. Gut zwei Jahre hatte ich dort mit ihm gelebt. Zimmer mit Blick auf den Hinterhof. Im vierten Stock. Mit ihm und mit Pius, unserem Mitbewohner. Ich wusste nicht, was mich erwartete, ob überhaupt jemand - und wenn, wer an den Apparat gehen würde, aber einen Versuch war es wert, fand ich. Nach meinem Auszug hatte ich mich dort nur noch einmal blicken lassen, um ein paar private Dinge abzuholen. Auch der Kontakt zu Pius war danach abgebrochen.
    »...Ja?«
    Ich erkannte seine Stimme sofort - hoch und etwas schnarrend.
    »Luca hier, hallo Pius...«
    »Luca...? LUCA! Na, das ist mal ne Überraschung. Wo steckst du?«
    »Bin in Genova. Können wir uns sehen...?«
    »Klar... Ja, gerne... Mensch Luca, ich glaub’s nicht. Wo treffen wir uns? Und wann?«
    Ich schlug ein Restaurant in Bahnhofsnähe vor. Von da hatte er es nicht soweit, und das Essen war einfach, aber gut.
    Es passte ihm.
    Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich nochmals zum Fischstand, orderte eine zusätzliche Kiste Eis, um meine Einkäufe für die kommenden Stunden frisch zu halten und machte mich auf den Weg zu unserem Rendezvous.
    ·
    Pius liebte, wie Shiro und ich, Männer. Und dies tat er, zu meinem anfänglichen Staunen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Nicht ganz einfach auszuhalten, wohnt man mit so jemandem auf relativ beengtem Raum zusammen. Mit nur einem Bad.
    Pius hatten wir es zu verdanken, dass wir damals das L'amo kennenlernten, denn zu dieser Zeit arbeitete er dort hinter der Theke, so wie er es auch gewesen war, der Shiro dort nach ein paar Monaten einen Job vermittelt hatte.
    In gewisser Weise hatten wir Pius eine Menge zu verdanken.
    Dennoch: Es gab nicht so viel, was ihn und mich verband, also war es nur logisch, dass wir uns nach meinem Auszug aus den Augen verloren hatten. Doch auf eine gewisse Weise mochte ich ihn. So freute ich mich jetzt auch ehrlich auf ein Wiedersehen.
    Das Orlandini, welches ich als Treffpunkt vorgeschlagen hatte, besaß einen geschützten Innenhof, in dem man auch im Spätherbst noch gut draußen sitzen konnte. Serviert wurde klassische Küche und ein Wein vom eigenen Berg, womit er traditionell über alle Kritik erhaben war, ganz gleich ob er nun trinkbar war oder gerade mal so ging.
    Der bei Orlandini war gut, das wusste ich, aber ich bestellte Wasser und Caffè.
    Nach etwa zwanzig Minuten erschien Pius. Er hatte sich verändert. Sein blondes Haar trug er jetzt kürzer und er hatte zugenommen, was ihm aber ganz gut stand. Früher erinnerte er mich immer an einen Vogel, so einen langbeinigen, staksigen, der in Sümpfen nach Fröschen jagte. Damit war es nun vorbei. Er sah irgendwie gut aus.
    Ich sagte es ihm, während wir uns umarmten, und auch er schien sich ehrlich zu freuen, mich wiederzusehen.
    »Das war schon schräg damals, als du ausgezogen bist...«, stellte er auf seine ureigene Art fest, während ich für uns bestellte. Es war schon damals so. Pius musste man nicht fragen, was er wollte. Man bestellte einfach irgendetwas für ihn mit, was er dann aß. Solange es sich dabei nicht um Innereien handelte, war es richtig so.
    Ich hatte mich für Pasta-Variationen und Kalbsbraten entschieden.
    »Es war eine heftige Zeit...«, bestätigte ich mit einem Nicken. »Erst der Reinfall mit der 'Latello-Show' und vor allem, na ja...«
    Mein Auftritt in Simona Latellos Talk-Show hatte mich damals meinen Job bei Canale 5 gekostet. 'Papstfeindlich' titulierten die
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