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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Autoren: Christopher Hitchens
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geschehen bei der besonders grauenhaften Bombardierung historischer Minarette in Banja Luka, die nicht etwa im Rahmen von Kampfhandlungen, sondern während einer Waffenruhe erfolgte.
    Nicht anders – und das wird häufig vergessen – gingen ihre katholischen Gegner vor. In Kroatien ließ man die Ustascha-Gruppen wieder aufleben und versuchte, wie schon im Zweiten Weltkrieg, die Herzegowina zu erobern. Die wunderschöne Stadt Mostar wurde bombardiert und belagert und die weltberühmte Stari Most (Alte Brücke), die auf türkische Zeiten zurückgeht und von der UNESCO als Weltkulturerbe geführt wird, so lange beschossen, bis sie in den Fluss stürzte. Letztlich spielten extremistische katholische und orthodoxe Kräfte einander bei der blutigen Teilung und »Säuberung« Bosnien-Herzegowinas in die Hände. Bis heute bleibt ihnen die öffentliche Schande dafür überwiegend erspart, weil die internationalen Medien immer von »den Kroaten« und »den Serben« sprachen und die Religion nur ins Feld führten, wenn von »den Muslimen« die Rede war. Doch die Begriffstrias »Kroate«, »Serbe« und »Muslim« ist uneinheitlich und irreführend, da es sich um zwei Nationalitäten und eine Religion handelt – Vergleichbares geschieht in der Berichterstattung über den Irak mit den drei Begriffen »Sunniten«, »Schiiten« und »Kurden«. In Sarajevo lebten während der Belagerung mindestens zehntausend Serben, und einer der führenden Befehlshaber der Verteidigung, ein Offizier und Gentleman namens General Jovan Divjak, dem ich unter Beschuss die Hand schütteln durfte, war ebenfalls Serbe. Auch die jüdische Bevölkerung Sarajevos, die auf das Jahr 1492 zurückging, identifizierte sich überwiegend mit der Regierung und der bosnischen Sache. Es wäre sehr viel zutreffender gewesen, wenn in Presse und Fernsehen berichtet worden wäre: »Heute haben die Streitkräfte der orthodoxen Christen die Bombardierung von Sarajevo wieder aufgenommen« oder »Gestern hat die katholische Miliz die Stari Most zum Einsturz gebracht«. Doch die religiöse Terminologie war den »Muslimen« vorbehalten, sogar dann noch, als deren Mörder sich die Mühe machten, sich mit einem großen orthodoxen Kreuz auf dem Schultergurt oder Bildern der Jungfrau Maria auf dem Gewehrkolben kenntlich zu machen. Auch hier gilt: Die Religion vergiftet alles , bis hin zu unserer Urteilsfähigkeit.
    In Bethlehem, das gestehe ich Mr. Prager gern zu, würde ich mich an einem guten Tag in der Abenddämmerung vor der Geburtskirche durchaus sicher fühlen. In der unweit von Jerusalem gelegenen Stadt bekam Gott, so glauben es viele, in Zusammenarbeit mit einer unbefleckten Jungfrau einen Sohn.
    »Die Geburt Christi war aber also getan. Als Maria, seine Mutter, dem Joseph vertraut war, fand sich's, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist.« Ja, und der griechische Halbgott Perseus wurde geboren, nachdem Zeus die Jungfrau Danae in Gestalt eines Goldregens besucht und geschwängert hatte. Buddha kam durch eine Öffnung in der Hüfte seiner Mutter zur Welt. Der Aztekengott Huitzilopochtli wurde geboren, nachdem seine Mutter Coatlicue, »die mit dem Schlangenrock«, einen kleinen Daunenfederball aus dem Himmel empfangen hatte. Die Jungfrau Nana pflückte die Frucht eines Mandelbaums, der aus dem Blut des erschlagenen Urwesens Agdistis aufgegangen war, legte sie sich in den Schoß und gebar den Gott Attis. Die jungfräuliche Tochter eines Mongolenkönigs erwachte eines Nachts von einem grellen Licht, das sie umgab, und gebar den Dschingis Khan. Krishna wurde von der Jungfrau Devaki geboren, Horus von der Jungfrau Isis. Die Jungfrau Maia gebar Hermes, die Jungfrau Rhea Silvia Romulus. Aus irgendeinem Grund betrachten viele Religionen den Geburtskanal zwanghaft als Einbahnstraße, und sogar der Koran bringt der Jungfrau Maria Verehrung entgegen. Als die päpstliche Armee zu den Kreuzzügen ausrückte, um Bethlehem und Jerusalem zurückzuerobern, machte das allerdings keinen Unterschied: Die Truppen zerstörten nebenbei jüdische Gemeinden, plünderten unterwegs das ketzerische christliche Byzanz und richteten in den engen Gassen von Jerusalem ein Massaker an, von dem hysterische Chronisten hämisch berichteten, dass das Blut den Pferden bis zum Zaumzeug stand.
    Zwar droht stets neue Gefahr, doch diese Ausbrüche des Hasses, der Bigotterie und der Blutgier sind vorüber, und man kann sich mittlerweile relativ sicher fühlen auf und um den
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