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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe
Autoren: Ralf Isau
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Einsicht, dass manche Schuld mit Geld nicht zu sühnen war – sang- und klanglos aus der Stadt. Bald geriet die kühle Schönheit in Vergessenheit; irgendwie hatte sie nie so richtig hierher gehört.
    Mancher unter den Wegbegleitern jener Tage verwandelte sich nach dem Ende des Terrors auf ganz andere Weise. Der Rabbiner Israel Zolli nahm aus Dankbarkeit für das Eingreifen des Papstes dessen Taufnamen Eugenio an und konvertierte zum römisch-katholischen Glauben. Zolli ü berlebte das Kriegsende um elf Jahre und starb just an dem Tag, an dem der Chronist dieser Geschichte geboren wurde. Lorenzo Di Marco dagegen verließ nicht nur die Città del Vaticano, sondern auch die katholische Kirche. Von Di p lomatie und Dogmen hatte er genug. Hinfort suchte er im unverfälschten Wort Gottes die Erleuchtung und widmete in der Gemeinschaft Gleichgesinnter sein restliches Leben urchristlichen Idealen. Mit einem Freund, für den er lange in den Vatikanischen Archiven Nachforschungen betrieben hatte, siedelte er 1958 nach New York City um und erreic h te in der Neuen Welt ein biblisches Alter.
    Von Vittorio Abbado ist bekannt, dass er im nach-faschistischen Italien ein von dunklen Elementen gefürcht e ter Staatsanwalt wurde, der vor allem der Mafia hart zuset z te, bis diese ihn durch ein Attentat aus dem Weg räumte. Besser erging es Donatello, dem alten Leibdiener von B a ron Alberto Fassini Camossi. Gemeinsam mit Emma Pallo t ta verlebte er noch vierzehn glückliche Jahre in Rocca di Papa und starb eines natürlichen Todes.
    Natürlich darf diese Geschichte nicht enden, ohne nach dem Verbleib von Nico und Laura dei Rossi zu fragen. Obwohl sich ihre Spur Ende der vierziger Jahre verliert, gibt es Grund zur Annahme, dass auch sie den Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts im Kreise von drei Sö h nen, zwei Töchtern und einer nicht mehr festzustellenden Anzahl von Enkeln erlebt haben.
    Anfang der fünfziger tauchte nämlich im schweizerischen Luzern ein Uhrmachermeister auf, der in seiner Werkstatt ein außergewöhnliches Kleinod seiner Kunst ausstellte. Niemand konnte sich dem Zauber der prachtvollen Verzi e rungen dieser goldenen Uhr entziehen. Auf dem Deckel war zum Beispiel ein Pfau zu sehen, der ein Rad schlug; Rubine funkelten in den Augen des Vogels und Smaragde auf dem Außenrand des Federkreises. Fast schon kurios ist alle r dings, dass diese an sich vollkommene Uhr nur einen einz i gen Zeiger besaß.
    Abergläubische Naturen sagten dem Luzerner Meister g e radezu magische Fähigkeiten nach. Er schuf eine Reihe einzigartiger Kunstwerke, die auf eine danach nie mehr erreichte Weise mit ihren Besitzern verbunden waren. Die Legende geht um, er habe sogar eine Uhr gebaut, die nur die glücklichen Stunden ihres Eigners zählte. Wie dem auch sei, die kleine, aber feine Uhrenschmiede dieses begnadeten Meisters gilt für Eingeweihte bis heute als »die letzte Bast i on des alten Handwerks vor den siliziumbestückten, seele n losen Zeitschredderern der Gegenwart«.
    Ob es sich bei dem Schweizer Uhrmacher, der sich An o nymität ausbedungen hat, nun um Nico dei Rossi handelt oder nicht, das sei dahingestellt. Es heißt aber, er habe in jeder seiner Uhren eine Nachricht verborgen, die nur finden kann, wer ein besonderes Händchen für die leblosen Dinge besitzt. Allen anderen verschließen sich die Uhrwerke wie ein kosmisches Rätsel und tragen ihr Geheimnis in sich, von Unruhe erfüllt bis zum Ende.
    ANMERKUNGEN
    DES
    AUTORS
     
     
     
     
     
    Meine Frau hat eine besondere Gabe. Sie kann mit Masch i nen reden. Ja, besser noch, die Apparate lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab – und tun dann genau das G e genteil. Ob die Arme nun mit ihrer Bankkarte den Zugang zum Geldautomaten erzwingen oder das Handy zu einer SMS überreden will, die Apparate verweigern sich ihr. A ber sie gehorchen wieder, sobald ich genau dieselben Handgriffe mache wie meine Frau. Dieses Phänomen, dem man unbedingt eine Doktorarbeit widmen sollte, hat mich auf die Idee gebracht, den Spieß einmal umzudrehen. Was wäre, fragte ich mich, wenn jemand die Gabe besitzt, mit Maschinen oder anderen Apparaturen genauso zu reden wie Doktor Dolittle mit den Tieren?
    Der Einfall mag amüsant klingen. Aber die Geschichte, die mir vorschwebte, ist ungefähr in demselben Maße eine Posse wie Dantes La Divina Commedia eine Komödie. Die Jahre zwischen 1932 und 1944, die im Mittelpunkt des Romans stehen, waren ja auch alles andere als komisch. Durch die
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