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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe
Autoren: Ralf Isau
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ihm?«
    »Du hast es noch nicht erfahren?«
    »Wie denn? Bis vor ein paar Tagen waren noch die Deu t schen in der Stadt.«
    Nico glaubte, alle Kraft würde aus ihm herausfließen. Er holte tief Luft. »Er ist tot.«
    »Hast du ihn …?«
    »Nein. Jedenfalls nicht direkt.«
    »Was bedeutet das?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    Nico erzählte ihr die Geschichte. Er verschwieg nichts. Laura stand vor ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, und nicht ihre Ohren, sondern ihre großen dunklen Augen schienen jedes Wort aus seinem Mund zu saugen. Als er geendet hatte, schwieg sie eine lange Zeit. Nicos Herz d a gegen war alles andere als still. Er wusste, wenn Laura ihn jetzt verstieße, dann würde er nie wieder lachen können.
    Ruhig machte sie einen Schritt nach vorn, schlang wieder ihre Arme um ihn, legte ihre Wange an die seine und flü s terte: »Ich liebe dich, Nico.«
    Den Namen ihres Vaters nahm Laura Manzini nie wieder in den Mund.
     
    Der Empfang im Pfarrhaus wirkte auf Nico wie eine Ve r schwörung.
    »Und?«, fragte Giacomo Lo Bello.
    Laura zog nur die Nase kraus und nickte.
    »Hat er dich schon gefragt?«
    »Nicht direkt.«
    Der Priester bedachte Nico mit einem strengen Blick.
    »Ist da irgendetwas an mir vorbeigegangen?«, erkundigte der sich ahnungslos.
    »Hast du sie geküsst, mein Sohn?« Der Alte hatte seit i h rer Rückkehr jede Förmlichkeit fallen lassen.
    »Äh … na ja …«
    »Ja, hat er«, kürzte Laura das Drucksen ihres Liebsten ab.
    »Und?«, fragte der Seelenhirte erneut, diesmal an den jungen Mann gerichtet.
    Allmählich dräute Nico, worauf dieses Verhör hinauslief. »Ich würde Laura gerne heiraten.«
    Sie schmunzelte. »Musst du nicht erst mich fragen?«
    »Möchtest du?«
    »Ja«, hauchte sie.
    »Ich dachte nur … Wir müssen wohl noch eine Weile warten.«
    »Wieso?«, fragte verwundert der Priester.
    »Na … Laura ist römisch-katholisch. Ich dagegen …«
    »Sag jetzt nichts Unbedachtes, Niklas Michel!«, unte r brach ihn rasch der Geistliche.
    Nico begriff nicht sogleich. »Dieser Name ist nicht mehr …«
    »Mund halten!«, schnauzte ihn der Alte an. »Wenn es e u er Wunsch ist, dann werde ich euch trauen. Dich, Laura Manzini, und dich, Niklas Michel. In Kriegszeiten gerät viel durcheinander. Wenn erst Frieden ist, lässt sich das leicht geradebiegen.«
    Endlich hatte Nico verstanden. Er lachte über seine eigene Begriffsstutzigkeit. »Wann könnte die Trauung denn stat t finden?«
    Padre Giacomo zwinkerte Laura vergnügt zu, um dem Bräutigam darauf geradezu schwermütig zu antworten: »Ein Seelsorger hat unter den Umständen, wie sie uns de r zeit plagen, alle Hände voll zu tun. Meine Gemeinde bea n sprucht mich praktisch Tag und Nacht.«
    »Verstehe«, seufzte Nico.
    Ein Grinsen brach durch die ernste Miene des Geistlichen. »Allerdings … gleich jetzt hätte ich noch Zeit.«
     
    Wegen der konfessionell etwas schwierigen Konstellation fand die Trauung im Pfarrhaus statt. Die Hochzeitsgesel l schaft bestand aus Mariella, der ungefähr sechzigjährigen Haushälterin des Priesters, und einer Hand voll Freunden, die Laura während ihrer Wochen in Genzano kennen g e lernt hatte. Eine Gardine diente der Braut als Schleier. Das Hochzeitsmahl bestand aus dem Inhalt einiger Dosen, auf denen der Aufdruck »U.S. Army« stand. Immerhin gab es jenes frische Brot, für das die Bäcker von Genzano di Roma berühmt geworden sind.
    Während der Feier wurde gelacht, auf einer Ziehharmon i ka musiziert und getanzt. Trotzdem hatte Nico das Gefühl, irgendetwas gehe hinter seinem Rücken vor. Der Priester tuschelte mit einem Besucher, der sofort wieder das Fest verließ. Später flüsterte ihm Laura etwas zu und deutete dabei auf ihren Bräutigam. Kurz vor Mitternacht baute sich der kleine Seelenhirte unvermittelt vor Nico auf.
    »Für die Hochzeitsnacht ist jetzt alles bereit.«
    Nico wurde rot.
    Das fand Padre Giacomo auch noch komisch. Sein im Laufe der Feier wieder etwas größer gewordenes Bäuchlein wippte vor Vergnügen. »Ich habe euch mein Schlafzimmer herrichten lassen.«
    Nico brachte mit Mühe seinen Mund wieder zu. »Aber das kann ich nicht …«
    »Keine Widerrede! Ich schlafe auf einer Kirchenbank«, unterbrach ihn der Priester und grinste. »Nein, war nur ein Scherz. Im Haus gibt es genug Betten. Geht einfach die Treppe hoch, dann fallt ihr direkt in euer Liebesnest hi n ein.«
    Während Nico um seine Fassung rang, spürte er, wie j e mand seine Hand ergriff. Es war Laura.
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