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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis
Autoren: Sergej Lukianenko
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auftauchten, hob Alkk den Kopf und lächelte hilflos und u n natürlich. Er hockte da, den Kopf seines Juniors im Schoß. Der war noch ganz jung, elf vielleicht. Der Flügeloverall des Juniors war an der Brust zerfetzt, rosafarbener Schaum blubberte an der Stelle heraus.
    »Und das«, sagte Alkk zusammenhanglos, »ist passiert, da war die Sonne schon aufgegangen. Kannst du uns nicht helfen, Senior Da n ka?«
    Ich schüttelte bloß den Kopf. Ich hatte keinen einzigen Tropfen Wahres Licht mehr, alles hatte ich an Len abgegeben, ohne das g e ringste bisschen zurückzubehalten.
    »Und was sollen wir jetzt machen?« In Alkks Frage lag eine Hof f nung, als ob ich ein berühmter Arzt oder ein mächtiger Zauberer wäre. Letzteres dachten sie vermutlich wirklich von mir.
    »An ihn glauben und ihn lieben«, wiederholte ich die Worte des Sonnenkaters. »Wir haben nichts anderes als unseren Glauben und unsere Liebe und wir hatten nie etwas anderes.«

8 Aufbruch
    B isher war ich noch nie mit einem richtigen Senior geflogen. De s halb behielt ich Shoky neugierig im Auge, als wir jetzt zu dritt in die Stadt zurückflogen.
    Okay, er flog ziemlich schnell und passte die Strömungen manchmal dermaßen gut ab, als verfüge er über den Wahren Blick. Wahrschei n lich half ihm seine jahrelange Erfahrung. Allerdings ließ sein Flug jene Leichtigkeit und Schönheit vermissen, die du bei jedem Junior beobachten kannst. Sein Gesicht war konzentriert, als müsse er eine schwere Arbeit erledigen.
    Shoky eine Pause anzubieten verbot sich von selbst. Andererseits konnte ich kaum mit ansehen, wie er flog. Doch mir kam der Zufall zu Hilfe.
    An einer schmutzigbraunen Hügelkette, wo Pfützen im Sonnenlicht verdampften und die seltenen Grasflecken grün leuchteten, erspähten wir plötzlich eine Karawane.
    Ich wunderte mich darüber sehr, denn die Sonne stand erst seit einer guten Stunde am Himmel, da würde sich ja wohl kaum jemand in der Welt der Flügelträger schon mit der täglichen Arbeit befassen. Trot z dem setzten die Händler ihren Weg fort.
    »Siehst du sie?«, rief ich Shoky zu. Der nickte und schien sich über die Möglichkeit einer Pause zu freuen.
    »Landen wir!«, rief ich und ging bereits tiefer.
    Die Karawane kam langsam zum Stehen. Die Begleitsoldaten po s tierten sich um die Büffel herum und legten ihre Armbrüste an.
    Die sollten es bloß wagen!
    Ich ging zwanzig Meter vor der erstarrten Karawane runter, kurz darauf landeten Len und Shoky, die schwarzen Flügel ausgebreitet, neben mir. Zu dritt marschierten wir auf die kleine Gruppe an der Spitze der Kolonne zu. Sie bestand aus mehreren Soldaten und zwei Händlern, nein, Händlerinnen.
    »Hallo, Danka«, begrüßte mich Garet mit einem Winken. Reata, die hinter ihr stand, zwinkerte mir zu.
    In mir drin wurde alles leer und mein Herz hämmerte wie wild. G a ret kam mir ein paar Schritt entgegen und legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Freut mich, dass du gewonnen hast«, sagte sie. »Glücklicherweise kämpft die Dämmerung nicht gegen das Licht. Denn diese neue Welt hier braucht viel … sehr viel aus anderen Welten. Und nur wir können den Samen für die Felder liefern, die Tiere für die Weiden, das Glas für die Fenster … « Garet lächelte. »Sonnenbrillen und Sonnencr e mes.«
    »Und bezahlt wird dann mit Licht?«
    »Nein, natürlich nicht. Es gibt Waren, die bringen weitaus mehr ein als Licht, Danka. Gute Krieger zum Beispiel kosten erheblich mehr.«
    Ich schwieg. Ich hatte nicht die Absicht, mich mit den Händlern rumzustreiten. Das Einzige, was ich ihnen am liebsten gesagt hätte, war: Verpisst euch ein für alle Mal!
    Aber ausgerechnet Garet konnte ich diese Worte nicht ins Gesicht sagen.
    »Die Dämmerung kämpft nicht gegen das Licht«, wiederholte Garet. »Beide sind stark genug, um sich den Frieden leisten zu können. Da r auf lief alles hinaus, seit dem Zeitpunkt, an dem du den Kater getro f fen hast. Es verlief alles nach seinem Plan.«
    »Nicht alles«, sagte ich leise, damit Len es nicht hörte. »Dort im Turm habe ich zum Beispiel gemacht, was ich für richtig hielt … «
    »Das ist wahr«, bestätigte Garet zu meiner Überraschung bereitwi l lig. »Deshalb gefällst du mir ja auch, Danka.«
    Trotz dieser freundlichen Worte wich ich zurück, als würden sie mir Angst einjagen. Es war in der Tat so: Die Dämmerung kämpfte nicht gegen das Licht, das Licht nicht gegen die Dämmerung. Aber Frieden gab es zwischen den beiden auch nicht. Konnte es nicht
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