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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman
Autoren: Lara Morgan
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lag. Das vertraute Sehnen beunruhigte ihn. Schon immer hatte ein Teil von ihm den Drang verspürt zu sehen, was
nach Westen zum Meer hin jenseits der Clanländer lag. Etwas in ihm verzehrte sich danach und nagte an ihm. Aber so sollte es nicht sein. Er liebte das Wüstenland, die trockene Luft und den heißen Sand, der sich rau unter den Fußsohlen anfühlte. Warum zog es ihn in Länder, die er nicht kannte? Er zwang sich, sich abzuwenden, und dabei fiel sein Blick auf einen Schatten, der von einem Felsvorsprung ausging und seltsam geformt war, wie Finger, die sich in seine Richtung bogen.
    Ihn durchfuhr das Gefühl, dass etwas falsch war. Sein Magen verkrampfte sich, und er taumelte. Seine Augen hielt er fest geschlossen, während er sich auf seinen Speer stützte, um die Balance wiederzufinden, und er atmete schwer. Und dann war wieder alles vorbei, so schnell, wie es gekommen war. Er stand da, blinzelnd und unsicher auf den Beinen, und schüttelte den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Er musste müde sein, oder vielleicht hatte er auch von der gestrigen Jagd einen Sonnenstich. Unregelmäßig hämmerte das Herz in seiner Brust.
    Es wurde Zeit, aufzubrechen. Er hielt nach Jared Ausschau und entdeckte ihn in der Nähe hinter einem Felsen zusammengekauert; zweifellos befand sich auf der anderen Seite der Bau einer Mar-Ratte. Tallis war sorgsam darauf bedacht, sich gegen den Wind zu halten, kroch zu Jared hin und hockte sich neben ihn. Jared holte sein Jagdmesser heraus, beugte sich vor und schleuderte es in einer fließenden Bewegung. Es gab kein Geräusch, aber der zufriedene Ausdruck auf seinem Gesicht verriet, dass die Waffe ihr Ziel gefunden hatte.
    Jared drehte sich um und senkte den Blick. Etwas von Tallis’ Unbehagen musste sich auch auf dessen Gesicht abgezeichnet haben, denn anstatt wie üblich zu prahlen, legte er die Stirn in Falten und stieß nur ein einziges Wort aus: »Lager?«
    Tallis nickte stumm. Rasch holte Jared seine Beute, und sie machten sich auf den Rückweg zur Dünenkette. Tallis’ Erdbruder spürte seinen Stimmungsumschwung, sagte aber nichts. Er hatte sich daran gewöhnt. Jared hatte gesehen, wie sich Tallis vor Übelkeit übergeben hatte, nachdem er seine erste Sandziege erlegt
hatte, als sie noch Kinder gewesen waren, und weder damals noch in späteren Zeiten hatte er ihn darauf angesprochen.
    Zwar hatte er Scherze darüber gemacht, dass Tallis kein Blut sehen konnte, aber sie wussten beide, dass es nicht daran lag. Doch es war nichts, worüber Männer sprechen sollten. Es ging um Macht. Es konnte sich sogar um die Macht der Führer handeln, die den Männern nicht zustand. Nur Frauen konnten sich die Berührung der Führer zunutze machen, und nur die Frauen folgten dem Zyklus des Mondes.
    Tallis’ Magen zog sich zusammen, und die Muskeln in seinen Schultern verspannten sich. Seine Mutter war mit dem Volk der Eisberge verwandt, nicht mit dem der Clans. Wegen ihrer Abstammung war er immer als Außenseiter angesehen worden, ebenso wie wegen seiner seltsamen Augenfarbe. Kein anderer Clansmann hatte Augen von solchem Blau, das manchmal beinahe schwarz erschien. Würde es immer sein Schicksal sein, sich so sehr von den anderen zu unterscheiden?
    Sie erreichten die Dünen, und Tallis rammte seine Füße in den Sand, drückte die Beine durch und mühte sich empor. Jared folgte ihm schwer atmend. Als sie die Kuppe erreicht hatten, blieben sie stehen, um zu Atem zu kommen, und Tallis ließ seinen Blick zum Lager hinabwandern. Lederzelte waren in einem Kreis rings um das Hauptfeuer in der Mitte verteilt, und das Zelt von Tallis’ Familie befand sich ganz am entgegengesetzten Ende. Sein Vater saß in der Öffnung und schärfte seinen Speer, und ohne Anstrengung entdeckte Tallis auch den dunklen Haarschopf seiner Mutter in der Nähe des Feuers, wo sie den Teig für das morgendliche Pfannenbrot knetete. Leises Stimmengewirr und das Schnauben des gedrungenen Muthus wehten zu ihnen hinauf. Die Szene wirkte so normal und vertraut, und doch kam Tallis sich seltsam abgeschnitten vor. Das Gefühl einer dunklen Vorahnung kroch über seine Haut, und wieder rumorte in seinen Eingeweiden die Gewissheit, dass etwas nicht stimmte.
    Sein Vater, Haldane, sah auf, entdeckte ihn und winkte, um ihm zu bedeuten, dass er zu ihm kommen solle.

    »Komm schon«, sagte Jared. »Lass uns diese Ratten braten gehen.« Er rannte die Düne zum Lager hinab.
    Aber Tallis bewegte sich nicht. Beinahe sah er
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