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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman
Autoren: Lara Morgan
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ihr wie durch einen dünnen, unsichtbaren Faden verbunden. Instinktiv wusste er, dass er das Tier jetzt dazu bringen könnte, alles zu tun, was ihm in den Sinn käme, wenn er sich nur darauf konzentrierte. Er müsste lediglich in Gedanken einen Befehl geben, wie er es schon bei anderer Gelegenheit getan hatte. Aber das hier war nicht richtig. Und doch musste jeder Mensch jagen.

    Er reckte den Arm, und mit einem Mal nahm die Welt um ihn herum wieder Gestalt an, als er den Speer fliegen ließ. Die Mar-Ratte fiel in den Sand, von der schieren Wucht des Stoßes umgeworfen. Einmal noch zuckten die Beine, dann blieb sie reglos liegen. Tallis kämpfte gegen den kurzen Moment der Übelkeit, der immer folgte, wenn er getötet hatte.
    »Jetzt hast du schon zwei erlegt«, sagte Jared hinter ihm.
    Tallis holte tief Luft, drehte sich um und sah seinen Erdbruder an.
    »Na wenn schon. Wenn du mal nicht mehr so viel Zeit damit vertun würdest, deine Zöpfe zu flechten, dann hättest du inzwischen auch schon eine erwischt.« Tallis grinste. Während er sich auf die beiden üblichen Zöpfe auf beiden Seiten des Gesichtes beschränkte, trug Jared das braune Haar acht Male geflochten, sorgfältig eingeölt und an jedem Ende mit einem silbernen Band befestigt.
    Jared erwiderte das Lächeln. »Du wünschst dir doch nur, deine ungeschickten Hände könnten genauso gut flechten. Aber zum Glück verstehen sie sich ja auf die Jagd, warum also sollte ich mir die Mühe machen? Wenn wir den ganzen Tag hierblieben, könntest du genug erlegen, um das ganze Lager zu versorgen, und wir könnten früher heimkehren und hätten die heißen Quellen ganz für uns allein. Keine Ziegen jagen und stattdessen alle Frauen.« Er zwinkerte.
    Tallis konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Jared war gerade in sein achtzehntes Jahr eingetreten, was sie gleichaltrig machte, aber er hatte die Frauen des Clans umworben, seitdem er ein kleiner Junge gewesen war. Jared war zwei Köpfe größer und leichter gebaut, er hatte ein hübsches Gesicht und lächelte viel, sodass es an Frauen keinen Mangel gegeben hatte, die bereitwillig in die heißen Quellen stiegen, um seinen Scherzen zu lauschen.
    Tallis schüttelte den Kopf und stocherte mit seinem Speer im Sand herum. »Den ganzen Tag hier draußen bleiben? Mein Vater würde uns eine Woche lang Klingen schärfen lassen. Wenn du deinen Speer nur mal halb so schnell schleudern würdest, wie du sprichst, könntest du selbst genug Fleisch für den ganzen Clan besorgen.
Aber da du ja leider mit der Zunge schneller bist, kannst du meine Beute haben und sie ausweiden.«
    »Na, besten Dank, altes Mistkäfergesicht.« Jared lachte. »Ich werde meine eigene Ratte erledigen; die kannst du dann ausnehmen.«
    Tallis schnaubte und rempelte ihn kräftig mit der Schulter an, als er seine Beute holen ging. Wie immer hatte Jared ihn mühelos zum Lächeln gebracht, aber das verging ihm rasch wieder. Jede Jagd, jedes Töten war eine Erinnerung daran, dass etwas in ihm anders und falsch war. Ein Mann sollte nicht das tun können, was er vermochte. Er bückte sich und hob die Mar-Ratte auf; dann schlitzte er ihr geschickt die Kehle auf, um das Tier ausbluten zu lassen, ehe er die Gedärme ausschabte.
    Ein Windhauch strich über seine Haut, und er stand auf, streckte sich und drehte sein Gesicht in Richtung der Bö, sodass er über die Wüste bis zum Horizont blicken konnte. Sie hatten das Lager verlassen, als die Sonne gerade im Begriff war, über den Dünen in der Ferne aufzugehen; jetzt hing sie über dem Horizont, der Mond war eine fahle Sichel am Himmel, und die kühle Luft der nahenden Wüstennacht verbreitete sich rasch. Der gelbe Sand hatte einen rosafarbenen Stich, und die vereinzelten Felserhebungen warfen lange Schatten in Tallis’ Richtung. Man sagte, dass in Augenblicken wie diesen die Führer auf Erden wandelten. Die alte Serita behauptete, sie habe schon mal einen gesehen, nämlich den dritten Führer Sabut, der wie ein Geist über dem Sand schwebte.
    Der Wind legte sich. Wie still es mit einem Mal in der Wüste wurde. Alle Geräusche waren verstummt, und die Luft war dick, als wäre Tallis in das warme Wasser der Quellen eingetaucht. Seine Haut kribbelte, und er spürte den Nachhall der Übelkeit: den metallenen Geschmack von Blut, den er immer noch Sekunden nach dem Töten im Mund hatte.
    Er suchte die Landschaft ab, und wie so häufig wanderte sein Blick nach Westen, wo hinter den Bergketten das Gebiet der Feuchtländer
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