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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman
Autoren: Lara Morgan
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Seit ihrem elften Lebensjahr war sie Mutter und Schwester für sie gewesen, aber in letzter Zeit war sie abwesend und neigte dazu, nachdenklich ins Leere zu starren, oft mit tiefen Falten auf der Stirn.
    Ein Schatten glitt über sie hinweg, und als Shaan aufsah, entdeckte sie einen gold- und lilafarbenen Drachen, der aus Richtung Westen Kurs auf die Stadt nahm und schon recht nah gekommen
war. Zu nah. Sie blieb stehen und packte Tuon am Arm, sodass sie neben ihr haltmachte.
    »Er fliegt sehr tief«, bemerkte sie.
    »Was?« Tuon klang noch immer verärgert.
    »Der ist zu niedrig«, wiederholte sie. »Sieh doch nur.« Sie deutete empor.
    Der Drache kam immer näher und näher, die mächtigen Schwingen zu ihnen herabgebogen. Er war jetzt so nah bei ihnen, dass Shaan den Reiter erkennen und die sausende Luft zwischen den Flügeln des Tieres hören konnte. Ein beißender, scharfer Geruch wie Öl, das in einer Pfanne schwarz verbrennt, mischte sich in den Wind.
    Shaans Herz hämmerte, während sie emporstarrte. Reiter brachten ihre Tiere niemals so weit an die Stadt heran. Rings um sie herum waren auch andere Gespräche verstummt, und die Leute sahen dem Tier entgegen, das sich tiefer und tiefer sinken ließ. Es fiel zu ihnen herab wie ein Stein, der von den Göttern geworfen worden war. Die Haut glänzte im Sonnenlicht, und während Shaan aus zusammengekniffenen Augen hinaufschaute, überfiel sie ein seltsam taubes Gefühl. Sie sah, wie der Drache seinen Schwanz wie einen Wimpel am Himmel ausrollte, und ohne zu wissen, warum, reckte sie eine Hand in die Luft und streckte ihre Finger aus, während der Drache auf sie zuschoss.
    Plötzlich stieß das Tier einen langen, tiefen Schrei aus, bei dem sich Shaans Nackenhaare sträubten.
    »Er greift an«, rief jemand, und auf dem Marktplatz brach Panik aus. Menschen suchten Schutz und stießen einander beiseite, während sie versuchten, die Sicherheit umliegender Häuser zu erreichen. Aber nur wenige waren schnell genug, und der Drache fiel über die Flüchtenden her. Zu hören waren nur der zischende Wind und die aneinanderreibenden Klauen, die wie Messer klangen, wenn sie über Felsen schaben.
    »Shaan!« Tuon packte sie am Arm und zog sie zurück in Richtung Garten, und sie riss sie auf dem Weg dorthin zu Boden. Shaan stolperte und schlug sich die Knie auf, als sie aufs Pflaster
prallte. Rings um sie herum kreischten die Leute voller Entsetzen und warfen sich auf die Straße oder zwängten sich unter die Stände. Benommen rollte sich Shaan auf die Seite und sah den Mann in Schwarz rennen. Mit grimmigem Gesicht starrte er auf einen Punkt hinter ihr. Sie folgte seinem Blick und sah den Drachen niedersausen und mitten über den Marktplatz fegen. Funken stoben, als die Stacheln seines Schwanzes über die Steine kratzten. Die weit ausgebreiteten Schwingen zerschlugen Wagen und Markisen, zermalmten Menschen unter sich und warfen Muthus um, die entsetzt hatten davongaloppieren wollen. Der Windstoß, der dem Drachen folgte, stank nach Rauch und Asche. So nahe raste das Tier an ihr vorbei, dass Shaan den Reiter erkennen konnte. Sein Gesicht war voller Angst, während sein Drache unkontrolliert wütete. Einen Moment lang sah er sie direkt an; dann war er verschwunden, als das Tier mit einem weiteren Schrei aufstieg und gen Osten abdrehte.

2
    Jalwalah-Territorium, Clanlande
    T allis packte seinen Speer, stand vollkommen reglos da und ließ den Bau der Mar-Ratte nicht aus den Augen. Langsam und zögerlich schob sich eine braune Schnauze hervor und schnupperte in der frühen Morgenluft der Wüste. Die Muskeln in Tallis’ rechtem Arm zitterten von der Anstrengung, den Speer zum Stoß bereitzuhalten, aber er bewegte sich noch immer nicht. Beim geringsten Geräusch würde das Tier wieder in den Erdboden zurückhuschen. Geduld ist die beste Freundin des Jägers , hatte sein Vater immer zu ihm gesagt. Vorsichtig kroch der kleine Nager aus dem Loch. Er war so lang wie Tallis’ Unterarm und von weichem, dunklem Fell bedeckt. Das Gehör der Mar-Ratte war ausgezeichnet, das Sehvermögen jedoch schlecht.
    Tallis wartete, bis sie ganz herausgekommen war, dann bereitete er sich auf das vor, was kommen musste. Einen kurzen Moment lang schien der Boden unter seinen Füßen zu verschwinden. Die Geräusche und Gerüche der Wüste wurden schwächer, und die weiten, felsdurchzogenen Sandflächen verschwammen an den Rändern seines Sichtfeldes. Nur die Mar-Ratte vor seinen Augen blieb scharf. Er war mit
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