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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel
Autoren: Marian Keyes
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nehmen. Guck doch nur, die arme Steffi.«
    Sie steht wie angewurzelt, hat den Mund weit aufgerissen
und ringt nach Luft. Eine Hand hat sie auf der Brust, die andere an der Kehle, und sie starrt auf Davids Beine und das Blut, das unter dem Eis hervorquillt. Sie steht unter Schock, dennoch gehen von ihr große Wellen der Erleichterung aus.
    »Steffi kommt damit bestens klar«, sagt mein Gefährte leichthin. »Sie versucht seit Ewigkeiten, sich von ihm zu trennen. Die anderen auch, kein Problem. Ein paar Gespräche mit der Krisenintervention, und alles ist wieder im Lot.«
    »Was ist mit Matt und Maeve? Maeve ist schwanger. Wir wollen doch nicht, dass sie wegen des Schocks das Baby verliert.«
    Mein Gefährte findet das sehr erheiternd. »Sieh sie dir doch an«, sagt er.
    Matt und Maeve haben sich einen Weg in die erste Reihe der Zuschauer gebahnt, die um David herumstehen, und ihre Gesichter strahlen irgendwie – das ist kein Schock.
    »Ist er tot?«, fragt Maeve.
    »Sieht ganz so aus«, sagt Matt. »Davon habe ich geträumt. Als ich von den Eisbrocken gelesen habe, die vom Himmel gestürzt sind, habe ich mir gewünscht, dass es ihm passiert.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja, und jetzt sieh dir das an.«
    »Da könnte man ja zum Glauben zurückfinden.«
    »Also!«, sagt mein Gefährte. »Auftrag erledigt. Und sehr sauber ausgeführt, wenn ich das sagen darf. Jetzt zur Star Street. In fünf Minuten sind wir da.«

    Von wegen fünf Minuten. Eher fünf Stunden. Er war keineswegs so vertraut mit der Topografie von Dublin, wie er mir weismachen wollte, und wir haben ewig gebraucht, um das Haus zu finden. Immer wieder sind wir über die Stadt geflogen, die Zeit verrann, und ich geriet in Panik. Jetzt sind wir da. Nummer 66, blaue Haustür, Türklopfer wie eine Banane geformt (alle Zweifel ausgeräumt), und in der Wohnung im Erdgeschoss sind massenhaft Leute – Salvatores und Fatimas und Cleos –, die Bier und Bowle trinken und Würstchen im Schlafrock essen. Matt und Maeves Abschiedsparty. Wer hätte das gedacht? Sie ziehen aus der Wohnung in der Star Street in ein Haus, weil sie in Kürze ein Kind bekommen. Ich husche also hierhin und dorthin und erkunde die Party. Zu meiner Erleichterung deutet nichts daraufhin, dass Maeve oder Matt nach den Ereignissen des Nachmittags einen Schock erlitten haben. Eher im Gegenteil. Sie wirken glücklich und gelöst und plaudern angeregt mit den Gästen. Alle sprechen von dem Kind. Sie wissen schon, dass es ein Junge wird, und obwohl es auf der Party einen Mann namens Conall gibt, nach dem das Kind benannt wird, ist er nicht der Vater.
    Nach Antworten suchend nehme ich mir diesen Conall vor, er ist ein gut gebauter, großer, kräftiger Mann, und plötzlich habe ich dieses aufregende Gefühl: Er ist es . Er sieht wie ein Vater aus, sein dunkles Haar ist etwas zerzaust – ein gutes Zeichen, denn Väter haben keine Zeit, sich mit Haarwachs und Ähnlichem zu beschäftigen. Außerdem ist er passend angezogen – in Jeans und dunkelblauer Fleecejacke –, als würde er sich ohne weiteres
ein Baby über die Schulter legen, bis es ein Bäuerchen gemacht hat, ungeachtet der Gefahr, dass es ihm auf die Jacke kotzen könnte. Die von ihm ausgehenden Schwingungen lassen ihn anständig, liebevoll und demütig erscheinen (wobei das Demütige eine ziemlich neue Charaktereigenschaft sein muss, glaube ich). Doch das Wichtigste: Er ist bereit. Das sollte er aber auch sein, denn er ist bereits dreiundvierzig.
    Conall hat die Tür im Blick und sieht alle neuen Gäste sofort. Plötzlich kommt frische Energie auf, prickelnde, widerborstige Energie: Lydia ist da. Anscheinend hatte sie einmal ein kurzes Techtelmechtel mit Conall, was man ihr aber nicht anmerkt. Durch die multinationale Menge wechseln sie einen Blick, aber es ist nichts mehr da, kein Beben, kein Zucken, einfach nichts.
    Lydia hat einen Musiker mit blitzenden Augen und wildem, langem Haar im Schlepptau, einen gewissen Oleksander Shevchenko. Ein gutaussehender Bursche, auch wenn er ein peinliches Tuch, eine Kreuzung aus Schal und Halstuch, trägt. Außerdem hat er keine Boxershorts unter seiner schwarzen Jeans an. Oleksanders Augen sprühen schwarze, zornige Funken, weil Lydia ihm verboten hat, sein Instrument, ein ukrainisches Akkordeon, mitzubringen. Zwei Stockwerke höher haben sie sich gerade ein exquisites, sexuell aufgeheiztes Wortgefecht geliefert.
    Ich würde sagen: Dieses Paar käme durchaus infrage. Sie sind offensichtlich sehr verliebt …
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