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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel
Autoren: Marian Keyes
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sie endlich ein Baby bekommen sollten.

Epilog

    VIER MONATE SPÄTER …
    Es ist Samstagnachmittag, Ende November, und ich fliege über Dublin auf der Suche nach der Star Street. Der Nummer 66, um genau zu sein. Ich habe den Auftrag, meine zukünftigen Eltern zu suchen. Laut meinen Informationen – die übrigens längst nicht so präzise sind, wie ich mir das wünschen würde –, lebt zumindest ein Elternteil dort. Vor vier Monaten ist in diesem Haus schon eine Schwangerschaft zustande gekommen, bei einem Paar namens Maeve und Matt, sieht also aus, als wäre das eine fruchtbare Gegend.
    Aber der Anfang ist kein glücklicher. Ich brauche ewig, um das Haus zu finden, dabei ist keine Zeit zu verlieren. In Dublin gibt es nicht eine, nicht zwei, nein, drei Straßen, die Star Street heißen. Die erste Star Street habe ich in null Komma nichts gefunden, aber in der Nummer 66 ist der Laden eines Tierpräparators. Ich mache mich also wieder auf den Weg, aber die zweite Star Street 66 ist ein Bürogebäude, verrammelt und verriegelt, weil Samstag ist.
    Mein Reisegefährte, der mit mir die Zeit totschlägt – Töten ist sein Metier –, sagt, er wisse den Weg zu der dritten Star Street. Er redet die ganze Zeit davon, wie
erfahren er im Reisen sei und dass er immer unterwegs sei und das Leben von Menschen beende, wenn sie es am wenigsten erwarten. Deshalb habe ich es ihm überlassen und gesagt: Na gut, dann zeig mir den Weg, und er hat mir geantwortet: Gut, mach ich, aber im Moment geht das nicht, weil ich meinen eigenen Auftrag zu erfüllen habe, bei dem es auf den genauen Zeitpunkt ankommt, aber du kannst mich gern begleiten.
    Ich war besorgt. Manche in meiner Situation haben Wochen oder sogar Monate Zeit, ihre zukünftigen Eltern zu finden, aber mir blieben weniger als vierundzwanzig Stunden – wie der Zufall so spielt. Meine Zukunft würde sich heute entscheiden, so oder so, deshalb wollte ich möglichst schnell zur Star Street. Doch irgendwie fand ich es sinnvoller, mich an jemanden zu halten, der sich auskannte. Einen Umweg in Kauf zu nehmen, um schneller zum Ziel zu gelangen – gewissermaßen. Ich hefte mich also an die wichtigtuerischen Rockschöße meines Gefährten, und zusammen erreichen wir das Zentrum von Dublin. Was für ein seltsames Paar, könnte man meinen – ich dazu da, Leben zu geben, er, es zu nehmen –, aber so seltsam sind wir gar nicht, Tod und Leben, die beiden gehen oft Hand in Hand und ergänzen sich ein ums andere Mal.
    Wir befinden uns in einer breiten Straße, wo gerade eine Demonstration stattfindet. Ich lese die Spruchbänder und höre mir die Sprechchöre an und erfahre, dass es sich um einen Protest gegen die milden Gerichtsurteile handelt, mit denen Vergewaltiger in Irland bestraft werden, und erwartungsgemäß besteht der größte Teil der Demonstranten aus Frauen. Schließlich würde man
auch von Truthähnen nicht erwarten, dass sie für ein zusätzliches Weihnachten demonstrieren.
    Mein Gefährte ist einer von der schnellen Truppe und hat sein Ziel bereits entdeckt: einen schlaksigen, unordentlich wirkenden jungen Mann namens David, einer der wenigen Männer in dem Demonstrationszug. Es überrascht nicht, dass David in Begleitung einer Frau geht – nicht viele Männer würden sich allein einem solchen Protest anschließen. Eine Hübsche, übrigens: groß, schlank, mit einer Lücke zwischen den Vorderzähnen, die nicht der Behandlung eines Zahnarzts bedarf, sondern den Charme der Frau erhöht. Sie heißt Steffi. Und dieser David scheint sich sehr bewusst zu sein, wie reizend Steffi ist, denn er hat ihr den Arm um die Taille gelegt wie eine Schraubzwinge, als fürchte er sich davor, dass sie weglaufen könnte.
    Aber jetzt muss ich etwas Merkwürdiges berichten. Davids Schwingungen sind verhalten, unauffällig, aber von Steffi empfange ich große Anspannung. Sie will nicht bei der Demonstration sein. Sie geht nur mit, weil David darauf bestanden hat . Und sein Griff um ihre Taille missfällt ihr. Plötzlich hält sie es keine Sekunde länger aus und befreit sich aus der Umklammerung, er sieht sie vorwurfsvoll an, und sie sagt zur Entschuldigung: »Zu eng.« Wieder sieht er sie an, mit einem sehr verletzten Blick, dann greift er nach ihrer Hand und drückt sie, bis es wehtut.
    Mein wissender Gefährte beobachtet den Himmel, dann die Demonstranten, dann wieder den Himmel. Besorgt wäre nicht das richtige Wort, aber er ist doch sehr aufmerksam. Seine Arbeit verlangt, wie er immer
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