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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel
Autoren: Marian Keyes
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wieder
betont, höchste Präzision. Meine allerdings auch, nebenbei bemerkt.
    Plötzlich lächelt er breit. »Ah, hier ist es ja.« Hoch über uns ist ein Flugzeug in den irischen Luftraum geflogen, dessen Kurs quer über die Stadt führt. Mir gefällt das überhaupt nicht. Was hat er vor? Einen Bombenanschlag? Eine Kollision? Wie viele Menschen müssen getötet werden, um diesen einen Menschen zu erwischen?
    »Nein.« Mein Gefährte lacht finster. (Die meisten Dinge macht er finster, das ist seine Art.) »Nichts dergleichen. Eigentlich ist es ein Geniestreich.«
    Er zeigt zum Himmel. »Da oben, ungefähr anderthalb Kilometer über uns, löst sich von der Unterseite des Flugzeugs ein Eisbrocken. Jeden Moment wird das passieren, und er saust zur Erde, und dann landet er genau auf meinem Kandidaten hier.«
    Das beeindruckt mich. Ich blicke nach oben, dann zurück zu dem unordentlichen David, der nicht die geringste Ahnung hat, dass dies seine letzten Sekunden sind. Ich habe das verrückte Verlangen, ihm zuzurufen, er solle schnell eine würdige Tat vollbringen, damit etwas von seinem Leben bleibt, aber er würde wahrscheinlich nicht zuhören. Niemand hört bei so was zu. Außerdem hat er gerade hinter sich zwei Leute erkannt – eine blonde, engelhafte Frau und einen freundlich lächelnden jungen Mann, den man nicht schlank, aber auch nicht nicht schlank nennen würde – ich hoffe, ich drücke mich klar genug aus … Ah, jetzt sehe ich, es sind Matt und Maeve. Aus der Star Street Nummer 66. David hat gehofft, dass sie da sein würden, und jetzt hat er sie entdeckt
und strahlt wie ein Weihnachtsbaum, aber wie einer von denen, die in der Hölle stehen. Umgeben von Bösem und Schwarzem und dergleichen mehr. Keine Sterne, keine Engel. Stattdessen Totenschädel. Verfaulte Zähne. Tote Fledermäuse. Und seine Schwingungen verstärken sich mit Rachegelüsten. Ich hatte ihn ganz falsch auf dem Sender.
    Ah!, denkt David . Ich gehe mal zu ihnen und quäle sie ein bisschen. Ich mache sie mit Steffi bekannt. Ich werde sagen, es sei ein Verbrechen, dass so viele Vergewaltiger in Irland frei rumlaufen. Das wird ihnen den Rest geben!
    »Steffi, da sind ein paar Leute, die ich dir vorstellen möchte.«
    »Wer denn?« Unglaublich, wie unglücklich sie aussieht.
    »Meine ehemalige Freundin Maeve. Komm, ich stelle sie dir vor.«
    Steffi sieht ihn verwirrt und ängstlich an, oh nein! , sie kann ihn überhaupt nicht ausstehen. »Warum soll ich sie kennenlernen?«
    »Komm einfach mit, ja?«
    »Nein, David.«
    Er zieht an ihrem Arm und zerrt sie mit sich, aber sie weigert sich, also zieht er noch einmal heftig, viel heftiger als beim ersten Mal, und sie widersetzt sich und befreit sich aus seinem Griff, und jetzt werden die Menschen um sie herum aufmerksam.
    »Wie du willst«, sagt er und fügt hinzu: »Alte Zicke.« Eine Gruppe von jungen Frauen mit Spruchbändern – alles Fremde – bleibt entsetzt stehen. Man kann doch seine Freundin nicht »alte Zicke« nennen. Aber David kümmert das nicht. Er geht weiter, und die anderen weichen
zurück und machen ihm Platz, weil sie intuitiv wissen, dass er ein böser Mensch ist.
    Inzwischen haben Matt und Maeve ihn bemerkt, ihre Mienen sind verschlossen. Mit einem hässlichen Lachen geht David weiter auf sie zu und macht große Schritte und nimmt weder den schwachen Pfeifton, der plötzlich über seinem Kopf ertönt, noch den kalten Luftstrom um sein sehr unordentliches Haar herum wahr.
    »Jetzt pass gut auf«, flüstert mein Gefährte.
    Und im nächsten Moment fliegt ein Eisbrocken vom Himmel herab und trifft David am Kopf, so dass der Mann zu Boden stürzt. Der Eisklumpen bedeckt Kopf, Schultern und Brust, und der starke Blutstrom, der darunter hervorfließt, lässt keinen Zweifel daran, dass David tot ist.
    Nach mehreren Sekunden des Schweigens hebt ein großes Heulen und Klagen an, die Menschen rennen und raufen sich die Haare, sie legen sich die Arme schützend über den Kopf und blicken entsetzt mit weit aufgerissenen Augen zum Himmel hinauf und auf den Eiskloß, unter dem ein halber Körper hervorragt.
    Aber trotz des allgemeinen Aufruhrs ist sonst niemand verletzt, das muss ich voller Bewunderung für meinen Gefährten sagen, nicht einmal ein Kratzer von einem abgeplatzten Eissplitter.
    »Hast du gesehen?«, sagt er mit stolzgeschwellter Brust. »Wenn das kein Präzisionsschlag war.«
    »Aber die Menschen stehen unter Schock«, sage ich. »Manche kriegen davon Alpträume und müssen Valium
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