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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein
Autoren: David Berger
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Vorstellungen zum Beispiel zur Gottesdienstgestaltung, zu den Geschlechterrollen oder zur Homosexualität weitgehend bei.
    Ähnlich verfuhren in den nächsten Jahren zahlreiche andere kleinere Ordensgemeinschaften und Vereinigungen von Laien. Diese Rückführung der Erzkonservativen in den Schoß der katholischen Kirche führte dazu, dass sich auch neue Ordensgemeinschaften bildeten, die genauso dachten wie die Lefebvre-Brüder, aber die Anerkennung Roms beanspruchten und damit das Recht, in den Diözesen zu wirken. Dazu gehören die Servi Jesu et Mariae, das Institut vom Guten Hirten, die Franziskaner der Immakulata und die Benediktiner von Le Barroux . Auch sie wurden sehr schnell mit dem Status päpstlicher Gemeinschaften belohnt. Dieser Status räumt ihnen kirchenrechtlich große Freiheiten ein, beschneidet jedoch die Autorität der Diözesanbischöfe, indem er diese Gruppen ihrer diözesanen Direktive entzieht.
    Daneben gibt es Institutionen, die älter als die Piusbruderschaft sind und ordnungsgemäß von Rom oder den jeweiligen Bischöfen genehmigt wurden, aber einen äußerst konservativen Kurs fahren und nicht selten auch einflussreiche Verbindungen zu politisch extrem rechten Regierungen oder Parteien pflegen. Meist haben sie ihre Ursprünge in Spanien oder Lateinamerika. Die bekanntesten unter ihnen sind das Opus Dei und die Legionäre Christi.
    Auch in der Gesamtkirche haben sich einige Diözesen herauskristallisiert, in denen ein besonders konservativer Geist herrscht. Dazu zählte unter Bischof Krenn die Diözese St. Pölten; aktuell gehören das Erzbistum Liechtenstein, die Diözese Karaganda in Kasachstan und die Diözese Campos in Brasilien dazu. In den jeweiligen Diözesen existieren dann noch eigene Laien- und Priestervereinigungen, die einen traditionalistischen Katholizismus propagieren, zum Beispiel das Netzwerk katholischer Priester oder die Initiativkreise katholischer Laien und Priester.
    Sein Forum findet dieses Denken in konservativen Zeitungen und Zeitschriften sowie in den neuen Medien. Dabei sind die Zeitschriften einzelner konservativer Gruppierungen (Una Voce-Korrespondenz, Kirchliche Umschau) von über den Parteiungen stehenden großen Organen zu unterscheiden. Zu Letzteren zählen etwa die in Würzburg erscheinende Tageszeitung Die Tagespost oder die katholische Monatsschrift Theologisches.

Man sieht den Priester nur von hinten
    Eine ähnliche Doppelbödigkeit wie die im Hinblick auf die Disziplin und Ordnung der alten Liturgie erschließt sich mir heute bezüglich deren ganz eigener Ästhetik, die nicht nur mich in ihren Bann zog, sondern auch viele Künstler, wie etwa die Romanciers Julien Green, Agatha Christie oder Martin Mosebach. Es ist eine Ästhetik, die wie keine andere im Bereich der Religion homosexuell veranlagte Männer magisch anzieht. Eine Ästhetik, die aber zugleich von einer Gruppe vertreten wird, die wie keine andere im Katholizismus Homosexualität verurteilt, ähnlich den fundamentalistischen protestantischen Sekten in den USA.
    Dass gerade in traditionellen Gottesdiensten ein großer Teil der männlichen Besucher Schwule sind, fiel mir zum ersten Mal in den 90er Jahren in Köln auf, in einem in der Innenstadt gelegenen Marienheiligtum. Dieses Gotteshaus war damals die einzige bekanntere Innenstadtkirche, in der noch Messen mit dem Rücken zu den Gläubigen, in lateinischer Sprache, mit ausschließlich männlichen Ministranten und gregorianischem Choral gefeiert wurden. Als regelmäßiger Gottesdienstbesucher war ich immer sehr verwundert, dass neben den alten Damen aus dem nahe gelegenen Seniorenheim auffallend viele junge Männerpaare, aber auch männliche Singles dort zugegen waren. Erst durch einen befreundeten Theologiestudenten und Priesteramtsanwärter , der sowohl regelmäßig in den zahlreichen Kölner Schwulenkneipen verkehrte als auch die feierlichen lateinischen Gottesdienste in »St. Maria in der Kupfergasse « besuchte, wurde meine Vermutung bestätigt.
    An der Faszination Homosexueller für die tridentinische Liturgie hat sich bis heute offensichtlich nichts geändert: Ein guter Bekannter aus dem Bistum Paderborn, der zusammen mit seinem Partner vor einigen Jahren zum Katholizismus konvertierte, berichtet von dort, dass die in der Bischofsstadt zweimal im Monat stattfindende tridentinische Messe wegen ihrer Besucher und Mitwirkenden in Insiderkreisen nur »schwule Messe« genannt wird. Entsprechend verwundert es nicht, dass sich auf der
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