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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz
Autoren: Adalbert Stifter
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geworden bist, etwas von uns erzählen.«
    »Mutter, er hat es mir selber erzählt,« sagte Victor.
    »Er hat es dir erzählt, Kind?« erwiederte die alte Frau, »dann ist er dir geneigter gewesen, als ich dachte.«
    »Er hat mir die Thatsache nur in kurzen Worten gesagt.«
    »Ich werde sie dir einmal in längeren erzählen, dann wirst du sehen, welche kummervollen traurigen Tage über mich gegangen sind, bis alles so freundlich und herbstlich mit mir geworden ist, wie es ist. Dann wirst du auch einsehen, warum ich dich so sehr liebe, du mein armer lieber Victor!«
    Mit diesen Worten that sie nach Art des Alters ihren Arm um sein Haupt, zog es etwas näher und legte ihre Wangen an seine Loken, als wäre sie tief gerührt.
    Als sie sich wieder gefaßt und zurük geneigt hatte, sagte sie: »Victor, in dem Briefe ist gestanden, was er in der lezten Zeit mit dir geredet hat, und was er für dich gethan hat.«
    Hanna ging, als die Mutter diese Worte sagte, schnell aus dem Zimmer hinaus.
    »Er hat die Papiere,« fuhr die Mutter fort, »welche dir das Eigenthum des Gutes übergeben, an den Vormund geschikt, du sollst es mit Freude und Dankbarkeit annehmen.«
    »Es ist schwer, Mutter, es ist so seltsam - -«
    »Der Vormund sagt, daß du alles genau so erfüllen sollest, wie es der Oheim begehrt. Du brauchst jezt gar nicht mehr in dein Amt zu treten, in das er dich hat bringen wollen; denn diese Wendung der Dinge hat niemand vorher sehen können, und es steht dir ein herrliches Leben bevor.«
    »Wird aber Hanna wollen?« sagte Victor.
    »Wer spricht denn von Hanna?« antwortete die Mutter mit vor Freude glänzenden Augen.
    Victor aber konnte vor glühender Verwirrung nichts sagen, er saß da, als müßten ihm vor Schamroth die Wangen zerspringen.
    »Sie wird schon wollen,« sagte die Mutter wieder, »laß es nur gut sein, Kind, es wird alles zum Besten ausfallen. Jezt werden wir an deiner Ausrüstung zu der großen Reise arbeiten. Du bist jezt dein eigener Herr, der Mittel hat - da muß alles anders werden, und auch wegen der Reise müssen die Sachen nach anderer Art hergerichtet werden. Es wird dies schon meine Sorge sein. Jezt aber muß ich auch für das Mittagessen sorgen, sieh dir indessen das Haus an, ob sich nichts verändert hat, oder thue, was dir gefällt - die Speisestunde wird ohnehin bald heran rüken.«
    Mit diesen Worten erhob sie sich und ging in die Küche.
    Als das Mittagmal bereitet und aufgetragen war, sassen die drei wieder bei dem Tische, wie sie jezt lange nicht bei einander gesessen waren.
    Nachmittag ging Victor in die Gegend hinaus und besuchte alle Pläze, die ihm einst lieb und bekannt gewesen waren: Hanna aber lief in dem Hause herum und that alles verkehrt.
    Als er Abends nach dem Essen schlafen gehen wollte und die Mutter mit der Kerze in der Hand mit ihm ging, führte sie ihn in seine alte Stube, und da sie eintraten, sah er, daß sie gar nicht verändert worden war, wie er es sich doch so lebhaft bei seiner Abreise vorgespiegelt hatte. Sogar der Koffer und die Kisten standen da, wie er sie eingepakt hatte.
    »Siehst du,« sagte die Mutter, »wir haben alles stehen gelassen, weil der Oheim schrieb, daß wir nichts fort schiken sollen, indem es noch ungewiß ist, wie sich dein Schiksal gestalten werde. - Und nun, gute Nacht, Victor.«
    »Gute Nacht, Mutter.«
    Und er sah, da sie fort war, durch sein Fenster wieder auf die dunkeln Büsche nieder und auf das rieselnde Wasser, in welchem sich die Sternlein spiegelten. Und als er schon im Bette lag, hörte er noch das Rieseln der Wässer, wie er es so viele Abende seiner Kindheit und seiner Jünglingszeit gehört hatte.
     
     

7. Beschluß
     
    Wenn wir zu dem in den obigen Abschnitten dargestellten Jünglingsbilde noch etwas hinzufügen dürfen, so kann es Folgendes sein.
    Nachdem die Ausrüstung fertig war, welche die Mutter für Victors Reise ins Werk zu sezen hatte, und nachdem man über alles, was in der Zukunft für das Wohl des jungen Mannes ersprießlich sein könnte, im Reinen war, ereignete sich im tiefen Herbste desselben Jahres wieder ein Abschied - aber derselbe war kein so trauriger, wie der erste, da er nicht so zu sagen für das ganze Leben, sondern nur für eine kleine Zeit nothwendiger Abwesenheit galt, auf welche kleine Zeit dann eine lange, schöne, glükselige folgen sollte.
    Daß Hanna recht gerne eine sehr nahe Theilnehmerin jener glüklichen Zeit werden wollte, zeigten ihre feurigen, heftigen Küsse, mit denen sie die Lippen
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