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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz
Autoren: Adalbert Stifter
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Worten stand der Greis auf, und suchte lange in seinen Laden herum, bald in diesem Zimmer, bald in einem andern, aber er konnte das Bild nicht finden. Endlich zog er es mit einer staubigen goldenen Kette aus einem Fache hervor. Er wischte das Glas des Bildes mit dem grauen Rokärmel ab, reichte es Victor, und sagte: »Siehst du!«
    Dieser aber wurde eine Purpurflamme und rief: »Das ist Hanna, meine Schwester.«
    »Nein,« sagte der Oheim, »das ist Ludmilla, ihre Mutter. Wie kannst du denn auf Hanna kommen? diese war noch lange nicht geboren, als das Bild gemalt wurde. Hat dir denn deine Ziehmutter nichts von mir erzählt?«
    »Ja, sie hat von euch erzählt, daß ihr mein Oheim seid, und in großer Abgeschiedenheit auf der Insel eines entfernten Gebirgsseees lebet.«
    »Sie hält mich für den ärgsten Bösewicht.«
    »Nein, Oheim, das thut sie nicht. Sie hat noch von gar niemanden Böses gesagt, und wenn sie von euch redete, so sprach sie immer so, daß wir meinten, ihr seid sehr weit in der Welt herum gereist, seid alt geworden, und lebet nun sehr einsam und von der Welt getrennt, die ihr sonst gerne in allen ihren Theilen besucht habt.«
    »Und sonst sagte sie gar nichts von mir?«
    »Nein, Oheim, gar nichts.«
    »Hm - - das ist schön von ihr. Ich hätte mir das schon wohl denken können. Wenn sie nur um ein Weniges stärker gewesen wäre, und den klaren Verstand, der ihr Antheil war, nur über ein größer Stük Welt hätte ausdehnen können - alles wäre anders geworden. Und daß ich dir dein Gütchen rauben wolle, davon sagte sie auch nichts?«
    »Rauben sagte sie nie, sondern daß ihr das Recht darauf habt.«
    »Das habe ich auch, aber ich bin schon in der Jugend sehr thätig gewesen, habe Handelschaft begonnen, habe meine Geschäfte ausgedehnt und mehr erworben, als mir je noth thut, so daß ich des kleinen Besizthumes schon gar nicht bedürftig bin.«
    »Die Ziehmutter hat auch schon immer in der Zeit her darauf gedrungen, daß ich zu euch komme, als ihr es begehrtet, aber der Vormund hat es gehindert.«
    »Siehst du!? - - Dein Vormund hat überall einen guten Willen, aber der Tisch, auf dem er schreibt, dekt ihm die Welt und das Meer, und alles zu. Er hat etwa gedacht, du vergessest, wenn du bei mir bist, einige Dinge, die du lerntest, und die dir für das ganze Leben hindurch unnüz sind. - Deine Ziehmutter habe ich einmal zu meiner Gattin machen wollen, wie du siehst; das wird sie dir also auch nicht gesagt haben?«
    »Nein, sie nicht und der Vormund nicht.«
    »Wir sind sehr jung gewesen, sie war eitel, und ich sagte einmal, daß ich ihr Bild wolle malen lassen. Sie willigte ein, und der Künstler, der mit mir von der Stadt kam, hat sie auf dieser länglichen Elfenbeinplatte gemalt. Ich behielt das Bild und ließ später den goldenen Reif darum und die goldene Kette daran machen. Ich war ihr darnach sehr zugeneigt, und erwies ihr viele Aufmerksamkeiten. Wenn ich von den Reisen, die ich machte, um meine Handelsfreunde kennen zu lernen, und um allerlei neue Geschäfte und Verbindungen anzuknüpfen, nach Hause kam, war ich sehr freundlich, und brachte ihr auch das eine und andere sehr schöne Geschenk mit. Sie aber gab mir meine Aufmerksamkeiten nicht zurük, sie war freundlich, aber nicht zugeneigt, ohne daß sie mir einen Grund sagte, und sie nahm meine Geschenke nicht an, ohne daß sie mir ebenfalls einen Grund sagte. Als ich ihr endlich geradezu erklärte, ich würde sie ohne weiters zu meiner Gattin machen, wenn sie es nur jezt oder etwa späterhin so wolle, antwortete sie, das sei allerdings sehr ehrenvoll, aber sie könne die Neigung nicht empfinden, die ihr für eine lebenslängliche Verbindung nothwendig erscheine. Als ich nach einiger Zeit einmal zu dem Buchenbrünnlein im Hirschkar hinauf ging, sah ich sie auf dem breiten Steine sizen, der neben dem Brünnlein liegt. Ihr Tuch, das sie gerne an kühleren Tagen um die Schultern trug, hing an dem flachen Aste einer Buche, die etwas weiter zurük steht, und nicht hoch vom Boden diesen Ast gerade wie eine Stange zum Aufhängen ausstrekt. Ihr Hut war gleichfalls neben dem Tuche. Auf dem Steine aber saß bei ihr mein Bruder Hippolith, und sie hielten sich umschlungen. Es war dieser Ort schon lange der ihrer Zusammenkünfte gewesen, ich habe dies erst viel später erfahren. Anfangs wollte ich ihn ermorden, dann aber riß ich das Tuch, das mich wie ein Vorhang verbarg, herunter und schrie: »So wäre es ja am Ende besser, ihr thätet alles öffentlich,
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