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Der große Blowjob (German Edition)

Der große Blowjob (German Edition)

Titel: Der große Blowjob (German Edition)
Autoren: Peter Mattei
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bekam ich mit, wie er um die anderen Creative Directors herumschlich, sie fragte, ob sie vielleicht Hilfe brauchten, aber alle spürten, dass er demnächst entlassen würde, und gingen ihm aus dem Weg, wie das in Unternehmen eben üblich ist, wenn jemand in Ungnade gefallen ist. Wochenlang wurde ihm jeder Blickkontakt verweigert, niemand erwiderte seinen Gruß, nicht mal im Flur. Es war, als litte er im wahrsten Sinne des Wortes an einer tödlichen, ansteckenden Krankheit, und in der Hoffnung, ihn zu überleben, ächtete man ihn.
    Eines Tages dann hatte ich einen neuen Geistesblitz. Ich zitierte Henry zu mir und fragte ihn, woran er gerade arbeitete. Er ließ sich seinen Schock nicht anmerken und erklärte, er bemühe sich gerade um einen demnächst anstehenden Pitch bei einem Neukunden, von dem er gehört hätte. «Mit anderen Worten, du arbeitest momentan an gar nichts?», fragte ich, eine Spur entgeistert. Ja, erwiderte er, er sei derzeit so ziemlich offen für alles und würde gerne alles machen, was ich ihm über den Tisch schob. Erst nach längerem, bedeutungsvollen Schweigen teilte ich ihm mit, dass ich sein Gehalt kaum rechtfertigen könnte, wenn er derzeit null Umsatz erwirtschaftete. Er saß da, mit einem vor Angst eingefrorenen Grinsen. Er sollte für die Agentur Neukunden akquirieren, sagte ich. Ob er nicht irgendwelche Beziehungen hätte? Er werde darüber nachdenken, sagte er. Bei dem Besäufnis vor einigen Wochen hatte er mir ein paar interessante Dinge verraten. Erstens, dass er und seine Frau getrennt waren, und zweitens, dass sie in einer Wohnung an der Upper West Side wohnte, die früher mal dem Schauspieler Harvey Keitel gehört hatte, den sie damals in L. A. kurz gedatet und dem sie über eine schwierige Phase hinweggeholfen hatte.
    «Deine Frau macht doch in Gesundkost?» Vielleicht könnten wir ein paar Werbespots für sie drehen, mit ihrem Freund Harvey Keitel? Dem Prestige der Agentur würde das auf keinen Fall schaden. Henry pflichtete mir eifrig bei und sagte, er werde mit seiner Ex reden. Unser Totentanz ging weiter.
    Henry rief seine Ex an und erklärte ihr, dass er gefeuert würde, wenn er nicht bald einen neuen Auftrag für die Agentur an Land zog. Sie war einverstanden, er sollte ihr ein offizielles Angebot über die Produktion einiger Online-Spots für ihre Ernährungsberatungsfirma Newtritionals LLC machen, und sie willigte auch ein, bei ihrem Freund Harvey Keitel anzufragen, ob er bereit sei mitzuwirken. Kurze Zeit später sagte Henry mir, dass Keitel gerade bei Dreharbeiten in Australien sei und die Spots nicht machen könne. Eine glatte Lüge, wie ich über unsere Castingagentur in Erfahrung bringen ließ: Ein Anruf bei seinem Agenten ergab, dass Keitel sich in Palm Desert aufhielt und gerade nichts zu tun hatte. Wobei ich aber davon ausgehe, dass Keitel ohnehin wenig Lust hatte, für ein Mädel, die er in einer Trockenperiode ein paar Mal gebumst hatte, im Internet Nahrungsergänzungsmittel zu verticken. Doch Henry drückte wohl mächtig auf die Tränendrüse, denn Veronica wirkte auf Keitel ein, bis dieser schließlich eine alte Freundin kontaktierte, Margot Kidder, die in den Achtzigern mal Supermans Ehefrau gespielt hat. Sie fand sich an einem verregneten Herbstabend in einem Studio an der 10 th Avenue ein, wo die Aufnahmen stattfanden. Wir improvisierten und drehten bis tief in die Nacht, ohne dass etwas Brauchbares dabei herauskam. Es war ein einziger Krampf, und mir entging nicht, welche Qualen Henry dabei litt. Danach versuchten wir zwei Wochen lang, etwas zusammenzuschneiden. Am Ende befand ich, dass die Ergebnisse in keiner Weise den Ansprüchen der Agentur genügten, und lud Henry zum Essen ein, als Dank dafür, dass er unter diesem Druck sein Bestes gegeben hatte. Und ein paar Tage später habe ich ihn gefeuert.
    Es war ein herrlicher Morgen. Der Himmel wolkenlos, die Luft ein klein wenig frisch, ein perfekter Morgen, so einer, der viele New Yorker noch immer an den Tag erinnert, an dem die Flugzeuge in die Türme krachten. Seinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Er dachte bestimmt, dass ich mit ihm über das Newtritionals-Projekt reden wollte, vielleicht noch über andere kuriose Dinge, die wir zusammen an den Start bringen könnten. Als er jedoch mein Büro betrat und die Personaltante erblickte, in deren Augen es schon verdächtig feucht schimmerte, wusste er Bescheid. Das ist für alle das Zeichen, dieses Glitzern. Er setzte sich auf einen der beiden
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