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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin
Autoren: Patricia Amber
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sich auf einen Soldaten gestürzt und sich in sein Haar gekrallt.
    „Soll ich mit meinen Kindern krepieren?“, kreischte sie. „Gebt meinen Mann heraus, ihr Bestien!“
    Jeanne erbebte bis ins Mark bei dem hässlichen Geschrei, dass zugleich Ausdruck tiefster Verzweiflung war. Welch grausame Schicksale spielten sich hier ab, von denen sie bisher nichts geahnt hatte. Welches Elend bildete die Kehrseite der glänzenden Hofgesellschaft des jungen Königs.
    Ein kleiner Tumult entstand, die Soldaten stürzten sich auf die Unglückliche, um sie festzunehmen. Der Offizier wandte sich von Christian ab und erteilte Befehle, die Umstehenden waren herbeigeeilt und starrten aus sicherem Abstand auf die widerliche Szene. Man zerrte die Frau zurück, ihre Schreie waren weithin zu hören, was mit ihr geschah, konnte Jeanne nicht erkennen, denn die Soldaten hatten sie umringt.
    Jeanne wurde von Christian am Arm gepackt und gemeinsam eilten sie dem Ausgang zu.
    „Was ist da drin los?“, wollte eine der Wachen wissen.
    „Ein Verrückter hat versucht auszubrechen“, log Christian. „Seid auf dem Posten.“
    Die Wachen nahmen Haltung an und machten Miene, jeden Flüchtling zu ergreifen, der im Toreingang auftauchen würde. Christian ging mit ruhigen Schritten über die Zugbrücke, Jeanne folgte ihm mit wild klopfendem Herzen und weichen Knien. Auf der anderen Seite des Grabens wartete bereits eine Kutsche, die – kaum dass sie beide darin verschwunden waren – mit großer Eile davonfuhr.
     
    Sie saßen sich schweigend gegenüber, während die Kutsche in östlicher Richtung an der Seine entlangfuhr und dann in einen Feldweg einbog. Die Pferdehufe klangen hell auf dem gefrorenen Boden, Unebenheiten und Steine ließen das Gefährt hin und her schaukeln. Jeanne spürte Christians brennenden Blick auf sich gerichtet, und sie sah zu ihm auf.
    „Warum hast du das getan?“, fragte sie leise.
    „Weil ich ein Idiot bin“, murmelte er. „Ein Dummkopf, dem nicht mehr zu helfen ist.“ Sie lächelte und fachte damit seinen Zorn weiter an. „Ich könnte jetzt im Gefolge des Königs auf die Jagd reiten und die Früchte meines Kriegsruhms ernten“, schimpfte er. „Ich könnte mir unter seinen Hofdamen eine passende Verbindung suchen und meinen Einfluss damit vergrößern. Was habe ich stattdessen getan? Alles habe ich zunichte gemacht!“
    Sie sah in sein zorniges Gesicht und war glücklich. „Jawohl“, meinte sie mit ernster Miene. „Du hast deine Zukunft ruiniert.“
    Wütend blitzte er sie an. „Nicht nur das – ich habe die Hoffnungen meines Vaters zunichte gemacht.“
    „Das ist wahr“, gab sie zurück. „Und du hast sogar dein Leben aufs Spiel gesetzt.“
    Er packte sie bei den Handgelenken und schüttelte sie. „Mein Leben, meinen Besitz und meine Heimat, du verdammte Wildkatze. Ich werde nicht anders können, als mit dir nach England zu fliehen, damit wir außerhalb der Reichweite des Königs sind. Ich werde mit dir im Exil leben müssen, und unsere Kinder werden heimatlos und arm sein.“
    „Was für Kinder?“, fragte sie.
    „Unsere Kinder“, gab er grimmig zurück. „Wir werden in England heiraten, Duchesse. Und von da an werde ich dich nicht mehr aus den Augen lassen. Verlasse dich darauf! Wo du auch bist, was du auch tust – ich werde über dich wachen.“
    „Das brauchst du nicht, Christian“, sagte sie lächelnd. „Ich werde nicht von deiner Seite weichen, so lange ich lebe. Weil ich dich liebe.“ Mit einem Schlag war sein Zorn dahin, und seine dunklen Augen blickten weich und zärtlich.
    „Sagst du auch die Wahrheit?“, forschte er. „Lügst du mich nicht an?“
    Jetzt wurde sie ärgerlich und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. „Verdammt. Du hast mir nie Gelegenheit gegeben, mich zu erklären. Der Duc de Gironde....“
    „Ich will den Namen dieses Menschen nie mehr hören“, fiel er ihr ins Wort. „Vergiss ihn – vergiss alles, was gewesen ist. Von jetzt an gibt es nur noch uns beide, Jeanne. Niemand soll uns mehr trennen.“
    Er zog sie neben sich auf den Sitz, nahm ihr das Barett vom Kopf und küsste sie voller Verlangen. Ihr Haar löste sich auf und fiel ihr in üppigen Locken über die Schultern, seine Hände glitten unter das Wams, und Jeanne schloss die Augen vor Wonne, als sie seine zärtlichen Finger spürte.
    „Reiter!“, erklang da die warnende Stimme des Kutschers. „Eine berittene Gruppe hält auf uns zu.“
    Das Paar fuhr auseinander und sah aus dem Fenster der
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