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Der Grabritter (German Edition)

Der Grabritter (German Edition)

Titel: Der Grabritter (German Edition)
Autoren: Oliver Lierss
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etwas zurück und sah Kerner an. »Aber jetzt zuerst einmal … ab nach Hause mit Ihnen. Schlafen Sie ein paar Stunden und machen Sie sich keine Gedanken über Marquart. Noch bin ich Chef dieser Abteilung.«
    Nachdenklich stand Kerner von seinem Stuhl auf und ging langsam zur Tür. Dann drehte er sich noch einmal um. »Wieso geben Sie ausgerechnet mir den Fall?« Herzog, der schon wieder begonnen hatte in seine Unterlagen zu sehen, schaute zu Kerner hoch. „Weil ich, Herr Hauptkommissar, viele Akten lese. Unter anderem auch Ihre. Ich weiß, dass Ihre Großeltern 1944 von der Gestapo aus ihrem Haus verschleppt worden sind, weil sie eine jüdische Familie in ihrem Keller versteckt hielten. Die Juden sind sofort nach Buchenwald deportiert worden und Ihre Großeltern gleich mit. Genau dorthin, wo auch Heim zu dieser Zeit Lagerarzt war.
     
    Die Spuren Ihrer Mutter verloren sich in dieser Zeit. 1955 tauchte eine junge Frau in der Stadt Duisburg auf. Ihr Name lautete Helena Petersen. Sie hatte aber Papiere in ihrem Besitz, die ihre wahre Identität belegten. Die junge Frau war Herta Kerner, Ihre Mutter. Sie heiratete ein paar Jahre später einen Stahlarbeiter vom Niederrhein. Das Glück der beiden war nicht von langer Dauer. Kurz nach Ihrer Geburt hatten Sie und Ihre Eltern einen Verkehrsunfall, den Sie wie durch ein Wunder als Einziger überlebten. Der Unfall warf damals einige Rätsel auf. Zwar konnte kein Fremdverschulden nachgewiesen werden, doch wurde fast zur gleichen Zeit in die Wohnung Ihrer Eltern eingebrochen und alles durchwühlt. Da man mit den Ermittlungen jedoch in keiner Richtung weiter kam, wurde der Fall schnell zu den Akten gelegt. Aufgewachsen sind Sie anschließend in einem katholischen Kinderheim in Bonn. Sie sehen Hauptkommissar, ich bin bestens informiert. Auf Grund Ihrer engen persönlichen Verwobenheit mit dem wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte könnte ich mir vorstellen, dass Sie diesen Fall erheblich schneller vorantreiben als manch anderer.« Kerner war verblüfft. Es gab nur wenige Menschen, die diese Geschichte kannten. Herzog sah die Frage im Gesicht seines Hauptkommissars und in die Augen des Kriminalrats trat für einen Moment ein fast schelmischer Ausdruck. »Ich muss alles wissen, Kerner. Sie nicht ganz.« Er zog seinen Sessel wieder näher an den Schreibtisch heran und arbeitete weiter.
     
     
     
    2
     
    Der silberne Audi bewegte sich langsam die kurvenreiche und stark bewaldete Strecke, die sich ungefähr zwanzig Kilometer außerhalb von Bonn befand, den Berg hoch. Es war neblig an diesem frühen Samstagmorgen und der Regen der letzten Nacht hatte die Straße, auf der schon überall das Herbstlaub lag, in eine Rutschbahn verwandelt. Kleine zusammengezogene Fischaugen unter der breiten Krempe eines altmodischen Hutes hinter dicken Brillengläsern versuchten den dichten Nebel zu durchdringen. Kriminalrat Marquart brachte die letzten Biegungen hinter sich und erreichte ein großes Plateau. Ein imposanter Gebäudekomplex tauchte dort im langsam aufsteigenden Nebel vor ihm auf. Es war das Grand Hotel Petersberg hoch über dem Rheintal. Ein herrschaftlicher Bau aus dem 18. Jahrhundert, dessen Anblick einem eine gewisse Ehrfurcht einflößte. Marquart verspürte jedoch nichts dergleichen. Er war auf dem Weg zu einem Treffen, auf das er heute Morgen gut hätte verzichten können. Sein Mund war trocken und der Kragen seines Hemdes erschien ihm viel zu eng. Langsam fuhr er auf den Parkplatz des Hotels und stieg aus. Die Luft war kühl zu dieser frühen Stunde des Tages. Trotzdem sah man dunkle Flecken, die sich unter seinen Achseln ausbreiteten. Hektisch schaute Marquart noch einmal auf seine Armbanduhr. Er war früh genug. Aus dem Fond seines Wagens holte er ein Jackett und den Regenmantel, während seine Blicke über das umliegende Gelände streiften. Er zog die Sachen über, schlug den Kragen des Mantels hoch und ging mit schnellen Schritten hinüber zum Hotel. Unter dem Säulenvorbau führte ein roter Teppich zum Haupteingang der Nobelherberge.
    Marquart betrat die Empfangshalle und schaute sich wieder nach allen Seiten um. Die Halle war so früh fast menschenleer. Zielstrebig schritt er in Richtung Rezeption. Einer der beiden Portiers, die dort beschäftigt waren, trat ihm an dem großen Empfangstresen gegenüber und lächelte ihn freundlich an. »Willkommen auf dem Petersberg. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Marquart räusperte sich. »Ich habe eine Verabredung mit 
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