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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn
Autoren: Richard Dawkins
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zerstört.« […] Ich hoffe, Dr. Einstein, dass Sie falsch zitiert wurden und dass Sie der riesigen Anzahl amerikanischer Menschen, die Ihnen mit Vergnügen die Ehre erweisen, etwas Angenehmeres zu sagen haben.

    Was für ein entsetzlich entlarvender Brief! Jeder Satz trieft von intellektueller und moralischer Feigheit. Weniger kriecherisch, dafür aber noch erschreckender war der folgende Brief, geschrieben vom Gründer der Calvary Tabernacle Association in Oklahoma:

    Professor Einstein, ich glaube, jeder Christ in Amerika wird Ihnen antworten: »Wir geben den Glauben an unseren Gott und seinen Sohn Jesus Christus nicht auf, aber wir bitten Sie, wenn Sie an den Gott der Menschen dieser Nation nicht glauben, dahin zurückzukehren, wo Sie hergekommen sind.« Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um ein Segen für Israel zu sein, und dann kommen Sie daher und richten mit einer Aussage aus Ihrem gotteslästerlichen Mund mehr Schaden für die Sache Ihres Volkes an, als alle Christen, die Israel lieben und den Antisemitismus in unserem Land ausrotten wollen, wiedergutmachen können. Professor Einstein, jeder Christ in Amerika wird Ihnen antworten: »Nehmen Sie Ihre törichte, falsche Evolutionstheorie und gehen Sie wieder nach Deutschland, wo Sie hergekommen sind, oder versuchen Sie nicht mehr, den Glauben eines Volkes zu zerstören, das Ihnen einen herzlichen Empfang bereitet hat, als Sie aus Ihrem eigenen Land fliehen mussten.«
    In einem Punkt haben alle diese theistischen Kritiker recht: Einstein war nicht einer der Ihren. Er reagierte mehrmals sehr ungehalten auf die Vermutung, er sei ein Theist. Aber was war er dann? Ein Deist wie Voltaire oder Diderot? Oder ein Pantheist wie Spinoza, dessen Philosophie er bewunderte? »Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit den Schicksalen und Handlungen der Menschen abgibt.«
    Führen wir uns noch einmal die Terminologie vor Augen. Ein Theist glaubt an eine übernatürliche Intelligenz, die das Universum erschaffen hat und die immer noch gegenwärtig ist, um das weitere Schicksal ihrer ursprünglichen Schöpfung zu beaufsichtigen und zu beeinflussen. In vielen theistischen Glaubenssystemen ist dieser Gott eng in die Angelegenheiten der Menschen eingebunden. Er erhört Gebete, vergibt oder bestraft Sünden, greift durch das Vollbringen von Wundern in die Welt ein, zürnt über gute oder schlechte Taten und weiß, wann wir sie begehen (oder auch nur daran denken , sie zu begehen). Ein Deist glaubt ebenfalls an eine übernatürliche Intelligenz, aber deren Tätigkeit beschränkt sich darauf, die Gesetze aufzustellen, denen das Universum unterliegt. Der deistische Gott greift später nie mehr ein und interessiert sich sicher nicht gezielt für die Angelegenheiten der Menschen. Pantheisten schließlich glauben überhaupt nicht an einen übernatürlichen Gott, sondern benutzen das Wort »Gott« als Synonym für die Natur, für das Universum oder für die Gesetzmäßigkeiten, nach denen es funktioniert.
    Deisten unterscheiden sich von Theisten darin, dass der Gott der Deisten keine Gebete erhört, sich nicht für Sünden oder Beichte interessiert, unsere Gedanken nicht liest und uns nicht mit launischen Wundern in die Quere kommt. Im Gegensatz zu den Pantheisten halten die Deisten Gott dennoch für eine Art kosmische Intelligenz, während er für die Pantheisten ein metaphorisches oder poetisches Synonym für die Gesetze des Universums darstellt. Pantheismus ist aufgepeppter Atheismus, Deismus ist verwässerter Theismus.
    Man kann mit Fug und Recht davon ausgehen, dass berühmte Einstein-Zitate wie »Gott ist raffiniert, aber boshaft ist er nicht«, »Gott würfelt nicht« oder »Hatte Gott eine Wahl, als er das Universum erschuf?« pantheistisch sind, aber nicht deistisch und mit Sicherheit nicht theistisch. »Gott würfelt nicht« kann man übersetzen mit »Der Zufall ist nicht der Kern aller Dinge«. »Hatte Gott eine Wahl, als er das Universum erschuf?« bedeutet: »Hätte das Universum auch auf andere Weise beginnen können?« Einstein benutzte den Begriff »Gott« in einem rein metaphorischen, poetischen Sinn. Das Gleiche gilt für Stephen Hawking und die meisten anderen Physiker, die gelegentlich in die Sprache religiöser Metaphern verfallen. Paul Davies liegt mit seinem Buch The Mind of God (Der Plan Gottes) irgendwo zwischen dem Einstein’schen Pantheismus und einer seltsamen Form
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