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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn
Autoren: Richard Dawkins
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von Deismus – und wurde dafür mit dem Templeton-Preis ausgezeichnet (einem sehr großen Geldbetrag, der alljährlich von der Templeton Foundation vergeben wird, meistens an einen Naturwissenschaftler, der bereit ist, etwas Nettes über die Religion zu sagen).
    Was Einstein’sche Religion ist, möchte ich mit einem weiteren Zitat von Einstein selbst zusammenfassen:

    Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, der Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind, dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus; in diesem Sinne, und nur in diesem, gehöre ich zu den tief religiösen Menschen.

    In diesem Sinne bin auch ich religiös, allerdings mit der Einschränkung, dass »unserer Vernunft nicht zugänglich« nicht bedeutet: »für immer und ewig unzugänglich«. Indes, ich nenne mich lieber nicht »religiös«, weil diese Bezeichnung missverständlich ist – auf verhängnisvolle Weise missverständlich, weil für die allermeisten Menschen »Religion« das »Übernatürliche« impliziert. Sehr schön hat es auch Carl Sagan formuliert: »Wenn man mit ›Gott‹ die Gesamtheit der physikalischen Gesetze meint, die das Universum beherrschen, dann gibt es natürlich einen Gott. Doch dieser Gott ist emotional unbefriedigend. […] Es hat nicht viel Sinn, zum Gravitationsgesetz zu beten.«
    Amüsant ist dabei, dass Sagans letzte Aussage schon von Reverend Dr. Fulton J. Sheen vorweggenommen wurde, einem Professor an der Catholic University of America, der sie 1940 im Rahmen eines wütenden Angriffs auf Einsteins Ablehnung eines persönlichen Gottes vorbrachte. Sheen fragte sarkastisch, ob irgendjemand bereit wäre, sein Leben für die Milchstraße zu opfern. Offenbar glaubte er, dies sei ein Argument nicht für, sondern gegen Einstein, denn er fügte hinzu: »Seine kosmische Religion hat nur einen Fehler: Er hat dem Wort einen Buchstaben zu viel gegeben – den Buchstaben ›s‹.« In Wirklichkeit sind Einsteins Überzeugungen alles andere als komisch. Dennoch würde ich mir wünschen, dass die Physiker das Wort »Gott« nicht mehr in ihrem speziellen metaphorischen Sinn verwendeten. Der metaphorische oder pantheistische Gott der Physiker ist Lichtjahre entfernt von dem eingreifenden, wundertätigen, Gedanken lesenden, Sünden bestrafenden, Gebete erhörenden Gott der Priester, Mullahs, Rabbiner und der Umgangssprache. Beide absichtlich durcheinanderzubringen ist in meinen Augen intellektueller Hochverrat.

Unverdienter Respekt
    Mein Titel, Der Gotteswahn , bezieht sich nicht auf den Gott Einsteins und der anderen aufgeklärten Naturwissenschaftler aus dem vorigen Abschnitt. Deshalb musste die Einstein’sche Religion gleich zu Beginn aus dem Weg geräumt werden, enthält sie doch erwiesenermaßen beträchtliches Verwirrungspotenzial. Von jetzt an ist in diesem Buch nur noch von übernatürlichen Göttern die Rede. Am vertrautesten unter diesen Göttern ist meinen Lesern wahrscheinlich Jahwe, der Gott des Alten Testaments. Auf ihn werde ich in Kürze zurückkommen. Doch zuvor muss ich mich noch mit einer weiteren Frage auseinandersetzen, die sonst das ganze Buch überschatten würde: den guten Manieren.
    Durch das, was ich zu sagen habe, werden religiös orientierte Leser sich möglicherweise beleidigt fühlen, und auf den nachfolgenden Seiten zu wenig Respekt vor ihrem ganz persönlichen Glauben entdecken (vielleicht auch vor dem Glauben, den andere hegen). Es wäre bedauerlich, wenn sie wegen einer solchen Beleidigung nicht weiterlesen würden, und deshalb möchte ich hier von Anfang an etwas klarstellen.
    Nach einer verbreiteten Vorstellung, die in unserer Gesellschaft nahezu unter allen – auch den nicht religiösen – Menschen anerkannt wird, ist religiöser Glaube gegenüber Beleidigungen besonders empfindlich, weshalb man ihn mit einer besonders dicken Mauer des Respekts schützen sollte. Dieser Respekt gehört demnach in eine ganz andere Liga als der Respekt, den jeder Mensch jedem anderen entgegenbringen sollte. Das hat Douglas Adams in einer Stegreifrede in Cambridge kurz vor seinem Tod so gut formuliert, dass ich seine Worte gar nicht oft genug wiederholen kann:

    Im Kern [der Religion] gibt es gewisse Ideen, die wir heilig oder göttlich oder wie auch immer nennen. […] Im Grunde heißt das Folgendes: »Wir haben hier eine Idee oder Vorstellung, über die man nichts Abträgliches äußern darf;
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