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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn
Autoren: Richard Dawkins
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das darf man einfach nicht. Warum nicht? Darum!« Wenn jemand eine Partei wählt, mit der man nicht einverstanden ist, darf man so viel darüber streiten, wie man will; jeder wird ein Argument für oder wider haben, aber keiner ist deswegen gekränkt. Wenn jemand meint, die Steuern sollten erhöht oder gesenkt werden, dann steht es jedem frei, sich darüber zu streiten; wenn aber andererseits jemand sagt: »Ich darf am Samstag kein Licht anknipsen«, dann sagt man: »Gut, ich respektiere das.« […]
    Warum sollte es ganz legitim sein, die Labour Party oder die Konservativen, die Republikaner oder die Demokraten, dieses Wirtschaftsmodell, aber nicht jenes zu unterstützen, Macintosh anstelle von Windows – aber man darf keine Meinung darüber haben, wie das Universum entstanden ist und wer es erschaffen hat, weil das heilig ist? Was heißt das denn? […] Wir sind es also gewöhnt, religiöse Ideen nicht anzugreifen, aber es ist sehr interessant, was für einen Aufstand Richard Dawkins entfacht, wenn er es doch tut! Alle werden furchtbar aufgeregt, weil man so etwas nicht sagen darf. Rational betrachtet, gibt es keinen Grund, warum diese Dinge nicht genauso offen diskutiert werden sollten wie alle anderen, es sei denn, wir hätten irgendwie untereinander vereinbart, es nicht zu tun. 7

    Für diesen übermäßigen Respekt unserer Gesellschaft für die Religion möchte ich ein Beispiel nennen, das große praktische Bedeutung hat. Wer in Kriegszeiten den Wehrdienst verweigern will, hat es am leichtesten, wenn er religiöse Gründe anführt. Ein großartiger Moralphilosoph, der in einer preisgekrönten Doktorarbeit ausführlich die Übel des Krieges offenlegt, hat es unter Umständen vor dem Prüfungsausschuss dennoch schwer, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden. Wenn man dagegen erklärt, ein Elternteil oder beide seien Quäker, bekommt man kaum noch Gegenwind, ganz gleich, wie schlecht man argumentieren kann und wie wenig man über die Theorie des Pazifismus oder sogar über das Quäkertum weiß.
    Steht am einen Ende des Spektrums der Pazifismus, so finden wir am anderen einen kleinmütigen Widerwillen dagegen, Kriegsparteien mit religiösen Namen zu benennen. In Nordirland werden die Katholiken beschönigend zu »Nationalisten« und die Protestanten zu »Loyalisten«. Selbst das Wort »Religionen« wird zu »Gemeinschaften« entschärft. Der Irak versank als Folge der amerikanisch-britischen Invasion 2003 in einem sektiererischen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten. Es ist eindeutig ein religiöser Konflikt, aber der Independent sprach am 20. Mai 2006 sowohl in der Titelschlagzeile als auch im ersten Leitartikel von »ethnischer Säuberung«. »Ethnisch« ist in diesem Zusammenhang ein Euphemismus. Was wir im Irak erleben, ist eine religiöse Säuberung. Sogar die ursprüngliche Verwendung des Begriffs im früheren Jugoslawien ist nachweislich eine Beschönigung der religiösen Säuberung unter Beteiligung orthodoxer Serben, katholischer Kroaten und muslimischer Bosnier. 8
    Ich habe schon früher darauf aufmerksam gemacht, welche Vorrechte die Religion bei Medien und staatlichen Institutionen in öffentlichen Diskussionen über Ethik genießt. 9 Jedes Mal, wenn es zu einer ethischen Kontroverse über Sexualität oder Fortpflanzung kommt, kann man darauf wetten, dass Religionsvertreter verschiedener Glaubensrichtungen in einflussreichen Gremien sowie in Rundfunk- oder Fernsehdiskussionen an hervorgehobener Stelle mitreden. Damit will ich nicht sagen, dass wir die Ansichten dieser Leute um jeden Preis zensieren sollten, aber warum rollt die Gesellschaft ihnen den roten Teppich aus, als hätten sie eine ähnliche Fachkenntnis wie beispielsweise ein Moralphilosoph, ein Familienanwalt oder ein Arzt?
    Ein weiteres Beispiel für die Bevorzugung der Religion: Am 21. Februar 2006 urteilte der Oberste Gerichtshof der USA in Übereinstimmung mit der Verfassung, eine Kirche in New Mexico sei von einem Gesetz ausgenommen, das alle anderen befolgen müssen und das den Konsum halluzinogener Drogen verbietet. 10 Mitglieder des Centro Espirita Beneficiente Unioao do Vegetal glauben, sie könnten Gott nur dann begreifen, wenn sie Hoasca-Tee trinken, der das verbotene Betäubungsmittel Dimethyltryptamin enthält. Wohlgemerkt: Es reicht, dass sie glauben , die Droge verbessere ihr Verständnisvermögen. Beweise mussten sie nicht beibringen. Umgekehrt gibt es viele Beweise, dass Haschisch bei Krebskranken während der
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