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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Autoren: Sebastian Jutzi
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Der Tisch hat vielleicht eine kleine Schublade, die Messer, Gabel und Löffel enthält. In dem Raum ist es düster, denn es gibt kein Fenster. Licht fällt nur durch die geöffnete Tür in die ärmliche Wohnstatt. Es ist stickig und die Luft schwer vom Geruch der Körper, der Erde und von kaltem Rauch.
    In so einer Hütte wartet auch der 25-jährige François Kambere Siviri darauf, dass sich die Kämpfe wieder beruhigen. Mittlerweile hat die CNDP Kiwanja erobert, und die kongolesische Armee ist zunächst geflohen. Jetzt ist sie aber zurückgekehrt, mit Verstärkung. Denn Mai-Mai-Rebellen haben sich ihr angeschlossen, unter ihnen Kindersoldaten und Kämpfer aus Ruanda. Endlich, am Morgen, hört die Schießerei auf. François muss dringend zur Toilette, die sich nur wenige Schritte hinter dem Haus befindet. Seine Blase schmerzt und in seinem Darm rumoren neben der Angst auch die Bohnen vom Vortag. Schließlich hält er es nicht mehr aus. Der junge Mann ist schlank und hochgewachsen. Er hält seine Haare kurz, wie fast alle hier. Das ist praktisch und hygienisch. Er weiß, dass Äußerlichkeiten wichtig sein können. Ein gepflegtes Auftreten kommt weltweit gut an. Er träumt davon, einmal mit einem Computer und einer professionellen Kamera arbeiten zu können, und will einmal ein berühmter Fotograf sein. Wie er das werden wird, weiß er noch nicht, aber er hat hart in der Schule gelernt. Vorerst ver dient er sein Geld damit, dass er Familienfeste ablichtet, aber auch Beamte in ihren Büros oder Soldaten in martialischer Pose. Wer bezahlt, bekommt ein Bild. Seine Mutter bestellt zwei Felder am Rand des Ortes. Der Ertrag reicht gerade dafür, dass sie nicht verhungern. Also steuert François das Geld aus seinen Fotoaufträgen bei. Er hat eine Stromleitung legen lassen und bezahlt die monatliche Rechnung. Sogar für eine neue Kücheneinrichtung hat das Geld gereicht. Doch meist bleiben die beiden klamm. Aber jetzt hat er ein ganz anderes, viel näherliegendes Problem. Seine Mutter blickt ihn ängstlich an. Sie wagt nicht, etwas zu sagen, aber ihre Augen bitten ihn inständig, nicht zu gehen. Aber François geht. Er öffnet die Tür und lauscht, ob sich etwas Verdächtiges regt. Nichts passiert. Also tritt er nach draußen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu seiner Erlösung. Nur wenige Meter bis zur Latrine. Dann fallen die Schüsse. Pock! Pock! Pock! Man hört den dumpfen Aufprall eines Körpers auf der Erde. François’ Mutter stöhnt, als ob eine schwere Last auf sie gefallen wäre. Mit vor Angst und schmerzvoller Erwartung schweren Gliedern schleppt sie sich an die Tür. Von dort aus sieht sie, wie ein Uniformierter den blutüberströmten Körper ihres Sohnes untersucht. Der Kämpfer blickt sie teilnahmslos an und sagt: »Voilà, da hast du ein Geschenk.«
    Bald darauf stoppt die CNDP den Gegenangriff der Mai-Mai und drängt sie zurück. Ein Viertel nach dem anderen erobern die CNDP-Kämpfer erneut. Die Soldaten sagen allen Bewohnern, dass sie ihre Häuser zu verlassen haben. Danach durchsuchen sie jeden Winkel. Mit den aufgepflanzten Bajonetten auf ihren Kalaschnikows stochern sie in jede Ecke. Ihre hasserfüllten Augen spähen in jeden Verschlag. Männer, besonders junge Männer, die sie aufgreifen, sind grundsätzlich verdächtig, Mai-Mai zu sein. Sie finden auch einen 25-jährigen Kaufmann, der mit Lebensmitteln handelt. Sie entdecken ihn in seiner Hütte und schießen wild in den Boden und die Wände des Hauses. Der Mann reicht den Kämpfern mit zitternden Händen 200 Dollar. Mehr Geld kann er nicht aufbieten. Es genügt, um sein Leben zu erkaufen. Die Rebellen ziehen ab.
    Dann gehen sie ein Haus weiter, wo der Bruder des Kaufmanns wohnt. Er ist drei Jahre jünger und studiert. Vielleicht wird er einmal ein noch besserer Kaufmann als sein Bruder werden. Die Soldaten zerren ihn aus seiner Hütte. Von Angst gelähmt steht er mit zitternden Knien vor den Uniformierten, denen Patronengürtel über ihre Schultern hängen. Einer zieht an einer Zigarette und stößt den Rauch verächtlich aus dem Mundwinkel aus. Er fragt nach Geld. Der Kaufmann sieht aus seiner Hütte zu. Er hat kein Geld mehr, das hat er ihnen alles für sein eigenes Leben gegeben. Für das Leben seines Bruders ist so nichts mehr übrig geblieben. In Hemd und Jeans steht der junge Mann vor den Bewaffneten und hebt die Schultern. Er sagt mit angsterfülltem Gesicht, dass er kein Geld hat. Der Soldat mit der Zigarette befiehlt ihm, dass er sich
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