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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Autoren: Sebastian Jutzi
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vor Ort informiert, als dass sie wirkungsvoll einschreiten könnten. Jedenfalls sagt das ihr Kommandeur. Einige Flüchtlinge suchen Schutz in der Nähe des UN-Lagers – wenigstens hier passiert ihnen tatsächlich nichts. Die Berichte von den grausamen Taten, von ungezählten Massakern im Kongo lesen sich wie ein Auszug aus Dantes Inferno. Soldaten fallen über ein Dorf her, zerren die Männer aus den Hütten, schlitzen ihre Bäuche auf und vergewaltigen auf den hervorquellenden Eingeweiden Ehefrauen und Töchter. An einem Straßenposten feuern betrunkene Kämpfer in den Bauch einer Schwangeren. Wütende Rebellen zerhacken mit Macheten einen Greis, in dessen Hütte sie außer einem Beutel Reis keine Beute machen. Und doch sind dies nur weitere Kapitel der scheinbar nie endenden Kongogräuel, die sich rund um die Gorillawälder ereignen.

XXV
    N achdem die Kämpfe zwischen der Regierungsarmee und den Rebellen Nkundas abflauen und wieder Ruhe in die Wälder der Virunga-Vulkane einzieht, beruhigt sich auch Kabirizis Sippe. Sie hat tatsächlich überlebt. Die Explosionen der Granaten haben sie arg in Angst und Schrecken versetzt, aber der erfahrene Silberrücken hat sie in die Höhe geführt. Dort haben sie gewartet, bis sich der Lärm verflüchtigt hatte und die unzähligen Menschen wieder aus dem Unterholz verschwunden waren. Nun bewegen sich die Affen wieder in tieferen Regionen, wo es nachts wärmer ist und mehr und schmackhaftere Pflanzen wachsen. Doch immer noch ist es hier anders, als es Kabirizi und seine Familie gewohnt sind.
    Die Wesen, die sonst immer kommen, sind verschwunden. Zunächst bleiben sie wie vom Erdboden verschluckt. Dann tauchen sie erneut auf, aber sie sind anders. Sie machen nicht jene typischen Geräusche, die sie sonst von sich geben. Sie riechen anders. Und sie tragen, anders als die Wesen, die sonst kommen, jene heimtückischen Stöcke, die Blitze spucken können. Sie verhalten sich eigenartig, halten befremdlich Distanz, nicht wie die anderen mit ihrer wohlwollenden Aufdringlichkeit. Diese Wesen bleiben auf Abstand, der nicht freundlich ist. Vielmehr erinnert das an eine Umzingelung, eine Beobachtung mit böser Absicht. Sie bleiben eine lange Zeit und begleiten die Gruppe den ganzen Tag. Sie kommen in der Frühe und gehen erst, wenn die Sonne sinkt.
    Kabirizi droht ihnen, aber sie lassen sich nicht verjagen. Noch offenbaren sie ihm und seiner Sippe keine Feindseligkeit. Ihre ständige Anwesenheit zerrt aber an seinen Nerven. Etwas Ungutes liegt in der Luft, und Kabirizi spürt eine Gefahr. Nicht so konkret wie in der Nacht, wenn sich ein Leopard an die Gruppe heranschleicht und der Silberrücken all sein Drohgebaren einsetzen muss, um den gefährlichen Räuber davon abzuhalten, ein Jungtier oder einen kranken Gorilla zu erbeuten. Und auch nicht so greifbar wie ein fremder Gorilla, der seinem Verband folgt und ihn herausfordert. Trotzdem stellt sich bei Kabirizi und den anderen das Gefühl ein, belauert zu werden.
    Die Affen wissen nichts von der Rebellenarmee, die ihren Wald besetzt hat, von den Konflikten zwischen den Menschen in ihrem Lebensraum. Sie wissen nicht, dass sie auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen eines gefährlichen Warlords ausgesetzt sind. Die Atmosphäre rund um die Gruppe lädt sich mit unheilvoller Spannung auf, während sich die Wesen mit ihren Stöcken, aus denen Blitze und Höllenlärm kommen können, im Wald um die Sippe herumtreiben. Niemand weiß, ob die Maschinengewehre der Rebellenkämpfer nicht irgendwann auf Kabirizi und seine Sippe abgefeuert werden.

XXVI
    M onatelang halten die Guerillakämpfer den Gorillasektor besetzt. Hin und wieder lassen sie zwar einige der Ranger ihre Kontrollposten passieren, die Lage ist aber weitgehend unübersichtlich und angespannt. Klar ist nur, dass die Rebellen sehr schnell erkannt haben, wie lukrativ der Handel mit Holzkohle ist. Sie perfektionieren das System, indem sie nicht nur Erlaubnisscheine für den Holzeinschlag verteilen, sondern die gesamte Handelskette überwachen und daran verdienen. Sie beaufsichtigen die Köhler, transportieren die Holzkohle in ihre Lager und verkaufen sie dort an Händler, die sie dann nach Goma bringen. Mit dem lukrativen Geschäft finanzieren die Rebellen weiteren Nachschub an Waffen, Verpflegung und allem, was eine Truppe benötigt. So befeuert die Holzkohle den Krieg. Der Brennstoff ist begehrter denn je, weil die Kämpfe mehr als 200 000 Menschen zur Flucht gezwungen haben. Sie ziehen sich
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