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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied
Autoren: Roland Mueller
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anzubieten. Dann wandte er sich, um hinaus in die Kammer zu gehen und einen Krug voll Bier zu holen. Aber Fallen hielt ihn zurück.
    »Bleib, Junge, bleib! Sieh lieber her, was Bruder Thomas mitgebracht hat.«
    Bei diesen Worten hob der Mönch den Saum seiner Kutte. Gwyn betrachtete die weißen, mit alten Narben überzogenen Füße des Frommen. Er hatte bis jetzt immer geglaubt, bloße Füße seien braungebrannt und schmutzig.
    Der Mönch zog einen langen, schlauchähnlichen Leinenbeutel hervor. Er öffnete ihn und breitete den Inhalt auf dem Tisch aus: zwölf Perlen. Jede so groß wie eine Weintraube, rosig schimmernd und dabei von einem herrlich schimmernden Glanz.
    Gwyn konnte einen Ruf der Bewunderung nicht unterdrücken. Solch wundervolle Perlen hatte er noch nie zuvor gesehen. Auch Fallen wiegte anerkennend den Kopf.
    »Ja, sie sind wunderschön, nicht wahr? Wie alles, was Gott der Herr geschaffen hat«, bemerkte Bruder Thomas.
    »Diese Perlen stammen aus alter Zeit. Sind der kostbarste Besitz unseres Ordens, des Klosters von Dorchester. Der Abt schickt mich, Euch zu bitten.«
    »Zu bitten?«, fragte Fallen freundlich.
    »Ja, Master Fallen. Ein Auftrag.«
    Der Mönch blickte Fallen einen Moment lang an und sah dann zu Gwyn. Wohl in der Annahme, der alte Meister würde seinen Lehrling nun hinausweisen. War doch ein Auftrag nur für die Ohren eines Meisters bestimmt. Aber Fallen nickte dem Mönch nur lächelnd zu.
    »Sprecht ohne Zögern, lieber Bruder. Gwyn, mein Lehrling, verdient mein Vertrauen. Was immer Ihr mir zu sagen habt, sagt es jetzt.«
    Gwyn senkte den Kopf. Die Worte des Meisters machten ihn ein wenig verlegen.
    »Wir haben von Eurem Glücksgriff gehört, Master Fallen. Gott weist uns immer wieder den richtigen Weg«, antwortete Bruder Thomas.
    Er schlug ein Kreuzzeichen. Gwyn beeilte sich, die Geste nachzuvollziehen.
    Jetzt begann der Mönch zu erzählen. »Diese Perlen sind seit vielen hundert Jahren im Besitz unseres Ordens. Es wird erzählt, Konstantin, der große Christenkaiser zu Byzanz, machte sie einst einem besonders treuen Gefolgsmann zum Geschenk. Jener, fromm und rechtschaffen im Glauben, vermachte sie unserem Orden. Einmal waren alle Perlen in einer prächtigen Schatulle verwahrt, ganz aus geschmolzenem Glas und Gold. Als der große Feldzug gegen die Heiden begann, haben alle Diener des Herrn gegeben, um den Heiligen Krieg gegen die Heiden führen zu können. Auch unser Orden hat gespendet. Wir gaben die prächtige Schatulle.«
    Der Mönch machte an dieser Stelle eine kleine Pause. Mit einer Hand fuhr er über die Juwelen, ohne sie direkt zu berühren. Dann sprach er weiter. »Jede Perle steht für einen Jünger Jesu. Nun wünscht unser Abt, dass die zwölf Apostel als Schmuck sichtbar in unserer kleinen Kirche erstrahlen.
    Darum unser Auftrag: Master Fallen, fertigt ein Gefäß, welches dient als ewiger Hort für das Blut Christi und jene Perlen sicher verwahrt.«
    Der Mönch schwieg nach seiner Erzählung. Gwyn sah erneut wie gebannt auf die Perlen. Trotz des schwächer werdenden Tageslichtes begannen sie, in einem seltsam eigenen Glanz zu leuchten. Dabei änderten sie ständig die Nuancen ihres Farbkleides, von hellem Weiß bis hin zu zartem Rosé.
    Meister Fallen räusperte sich. »Ehrwürdiger Bruder Thomas, richtet meinen Dank an Euren Abt und Eure frommen Brüder. Bin nur ein kleiner Goldschmiedemeister. Warum seid Ihr nicht zu den Großen der Zunft gegangen?«
    »Wir sind ein armer Orden, Master Fallen. Ein anderer Meister wird mehr Geld verlangen, als wir zahlen können. Zudem, es ist gewiss, dass Gott der Herr unseren Abt bald zu sich rufen wird. Er ist alt. Noch einmal möchte er das heilige Mahl feiern, mit dem Schatz unseres Ordens. Dies ist sein größter Wunsch.«
    Nach der Erklärung des Mönches schwiegen die drei Männer. Gwyn wünschte sich, die Perlen auf dem Tisch vor sich zu berühren. Nur einmal die glatte makellose Oberfläche mit den Fingerspitzen spüren, insgeheim auf der Suche nach einer winzigen Unebenheit in dem Mantel aus Kalk, wissend, dass diese Perlen nichts davon an sich haben würden. Sie waren von perfekter Glätte und ebenmäßig wie ein Stein. Der Meister strich sich über seinen grauen Bart und erhob sich plötzlich schwerfällig. Gwyn sprang auf und half ihm, bis er sicher stand.
    »Wenn Euer Orden auf meine Kunst vertraut, dann werde ich diese ehrenvolle Aufgabe annehmen.«
    Der Mönch nickte zustimmend.
    »Zehn Pfund können wir Euch zahlen,
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