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Der Goldschatz der vom Himmel fiel

Der Goldschatz der vom Himmel fiel

Titel: Der Goldschatz der vom Himmel fiel
Autoren: Stefan Wolf
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arbeiten.“
    „Alle Söhne und/oder Töchter
meiner Mitbewohner waren hier. Nur du nicht. Sogar Enkelkinder waren hier. Die
langweilen sich zu Tode bei diesen Pflichtbesuchen. Aber sie wurden hergeschleift.
Weil sich das so gehört! Mindestens dreimal im Jahr. Zu Weihnachten, zu Ostern
und zum Geburtstag. Von Silvester will ich mal gar nicht reden. Das wäre der
vierte Anlass, fällt aber bei mir mit dem Geburtstag zusammen.“
    „Mutter! Du hast keine Enkelkinder!“
    „Das weiß ich. Oder denkst du,
ich verkalke. Keine Enkel. Nicht mal die Freude hast du mir gemacht. Aber du hättest kommen können.“
    „Nein. Ich konnte wirklich
nicht.“
    Er rieb sich die Wange. Sie war
rot angelaufen. Der Korb wurde auf den Tisch gestellt, die pralle Aktentasche
daneben.
    Mit geübtem Blick — ohne
Brille, denn Walburga war weitsichtig — prüfte sie die Etiketten der Dosen. Hm,
ja! Es war wirklich all das, was sie mochte.
    Berthold reichte ihr die
Likörwein-Flasche. „Gleich mal probieren?“
    „Warum nicht?! Du auch?“
    „Nee. Hab schon den ganzen Tag
Sodbrennen.“
    Wie um es zu beweisen, legte er
die Hand auf den Magen.
    Dort — hinter einer
beachtlichen Speckschicht — war kein Sodbrennen. Doch unter keinen Umständen
wollte/durfte er von diesem Gesöff kosten. Denn der Wein enthielt ein Mittel.
In Unterweltskreisen wird es K.o.-Tropfen genannt. Die Zusammensetzung war
Berthold nicht bekannt. Auch über eventuelle Nebenwirkungen hatte er sich
vorsichtshalber nicht informiert. Tatsache war: Das Mittel wirkte wie eine
Holzhammer-Narkose, also unmittelbar. Und die Bewusstlosigkeit würde für ein
bis zwei Stunden anhalten.
    Berthold nahm ein Süßweinglas
aus dem Geschirrschrank, öffnete die Flasche und schenkte ein.
    „Auf deine Gesundheit, Mutter!“
    Sie hielt das Glas ohne zu
zittern und trank es aus auf einen Zug.
    „Hm! Der ist gut.“
    Er nickte, sah sie an, wartete.
    „Woher hast du den? Ist besser
als der von neulich.“
    „Feinkosthaus Ekelschmidt.“
    „Da habe ich früher auch gern
gekauft. Dass es die noch gibt.“
    Was ist los?, dachte er. Wirkt
das Zeug nicht? Hat mich Apotheken-Paule beschi... Na, endlich!
    Von einer Sekunde zur andern
setzte die Wirkung ein.
    Walburga entließ einen
blubbernden Laut durch ihre dritten Zähne, ihr Kopf sank auf die Brust, das
Glas entglitt und fiel zu Boden.
    Berthold rückte seine Mutter in
eine bequeme Lage, lehnte ihren Kopf nach hinten und fühlte nach dem Puls.
Langsam, aber regelmäßig. Sie würde mit Kopfschmerzen aufwachen und später ein
Problem haben, nämlich, ob sie fortan Brombeerlikör-Wein noch trinken dürfe
oder nicht.
    Berthold verkorkte die Flasche,
entnahm seiner Aktentasche die gleiche, öffnete sie, trank einen Schluck und
stellte sie auf den Tisch. Die manipulierte Flasche wurde in die Tasche gelegt.
Er hob das Glas auf.

    Rasch zur Tür. Er horchte.
Nein, draußen war niemand. Es würde auch niemand antanzen. Besuch wurde
respektiert.
    Berthold öffnete die unterste
Schublade einer Kommode und begann zu suchen.
    Er war ein großer Kerl,
fleischig bis fett, aber ohne Bauch. Ein schwammiges Gesicht mit büscheligen
Brauen und kleinen Augen. Das Haar schütter. Er war durchtrieben und das sah
man ihm an. Skrupel hielt er für Schwäche, Mitleid für Affentheater. Mit dieser
Einstellung ging er durchs Leben.
    Seine Mutter Walburga, 1920
geboren, hatte sehr jung, nämlich mit 21 Jahren zum ersten Mal geheiratet. Ihr
Mann Hektor Schwitzke war damals schon 32, war Berufssoldat und
leidenschaftlicher Flieger. Als Luftwaffenpilot im Zweiten Weltkrieg hatte er
eine Ju 52 geflogen, die so genannte ,Tante Ju’, eine Wellblech verkleidete
dreimotorige Junkers, die — obwohl nicht gerade formschön — als ungemein
zuverlässig und tauglich galt.
    Gleichwohl — nach nur einem
Jahr Ehe war die Ju 52 vermutlich Hektors Schicksal geworden. Denn er war nicht
mehr zurückgekehrt von einem ganz bestimmten Flug — galt dann als vermisst und
wurde später für tot erklärt.
    1951 heiratete Walburga
besagten Friedrich Nöhl, einen Versicherungsvertreter, mit dem nicht viel los
war. Dieser, Bertholds Vater, verunglückte kurz nach der Geburt des Sohnes.
Umständehalber hatte Berthold keine Erinnerung an ihn, den Erzeuger.
    Nach seinem Ableben sorgte Nöhl
noch dafür, dass ihn Walburga aus ihrem Bewusstsein tilgte, denn es stellte sich
heraus: Er war ein untreuer Mann gewesen, ein Ehebrecher. Seine Freundin hieß
Edeltraut Kinkel. Ihr Sohn Uwe wurde
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