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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif
Autoren: Gabriel Galen
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warten.“
     
    Das Mädchen hatte den Fremden während des Disputs aufmerksam betrachtet. Die Ha l tung seiner hochgewachsenen Gestalt wirkte selbstbewußt und ungezwungen. Das scharfg e schnittene Gesicht mit den hellen Augen war das eines Mannes, der viele Gefahren besta n den hatte und sich seiner selbst sicher war. Seine Kleidung war von einfachem Schnitt, zweckm ä ßig und ohne Zierrat. Außer dem langen Schwert an seiner Seite war er mit einem Dolch b e waffnet, der in einer Scheide an dem breiten Ledergurt um seine Hüften befestigt war. Ein starker Bogen und ein Köcher mit Pfeilen hing an seinem Sattel.
    Die ganze Zeit hatte Coriane überlegt, denn sie glaubte, den Fremden irgendwo her zu ke n nen, aber sie konnte sich nicht besinnen, wo er ihr schon einmal begegnet war.
     
    Bei Lardars letzten Worten hatte der Fremde amüsiert aufgelacht. Nun machte er Coriane eine leichte Verbeugung.
     
    „Verzeiht, mein Fräulein, daß Ihr Zeugin eines so häßlichen Auftritts werden mu ß tet“, bat er. „Aber ich konnte mir meinen Argin nicht erschießen lassen.“
     
    Coriane lächelte ihm zu.  „Ihr braucht nicht um Vergebung zu bitten, denn Ihr wart im Recht, den Vogel zu schützen, wenn Ihr vielleicht auch etwas zu hart im Ton gewesen seid. Im G e genzug bitte ich Euch, das rüde Verhalten des Prinzen zu en t schuldigen. Er war wütend, weil er kein Jagdglück hatte und ich ihn wegen des Schusses auf den Vogel tadelte, mit dem er mich beeindrucken wollte. Mein Bräutigam hat eine hitzige Natur, und Eure Z u rechtweisung hat ihn noch mehr aufg e bracht. Doch sagt, wo habe ich euch schon einmal gesehen? Euer Gesicht ist mir vertraut und doch fremd.“
     
    „Ich kann es euch nicht sagen, edle Herrin“, antwortete der Mann. In seine Augen war ein weicher, versonnener Ausdruck getreten. „Vielleicht saht Ihr mich in einem längst vergang e nen Traum Eurer Kindheit.“
     
    Ehe Coriane antworten konnte, rief Lardar ihr - schon in einiger Entfernung - u n geduldig zu:
     
    „Kommt Ihr, Coriane? Was schwatzt Ihr noch mit diesem ungehobelten Flegel!? Wir wollen zum Schloß zurück.“
     
    „Lebt wohl!“ sagte Coriane zu dem Fremden und ging zu ihrem Pferd. Rasch sprang er zu und half ihr in den Sattel.
     
    „Seid unbesorgt!“ meinte sie dann. „In einer halben Stunde hat Lardar Euch verge s sen, und Ihr werdet unbehelligt durch Imaran ziehen können. König Tamantes ist ein gerechter Mann.“
     
    Damit trieb sie ihr Pferd an und sprengte hinter Lardar her. Kurz bevor sie ihn erreichte, drehte sie sich noch einmal um und hob grüßend die Hand. Raigo sah i h nen nach, bis ein Gebüsch sie seinen Blicken entzog.
     
    ,Coriane! Die kleine unscheinbare Coriane!’ dachte er verträumt. ,Sie ist eine Frau gewo r den, eine Schönheit, viel zu schade für meinen großmäuligen, feigen Vetter Lardar! Sie ist ein Mädchen, bei deren Anblick das Herz eines Mannes höher schlägt. Für eine Frau wie sie könnte ein Mann schon Vieles wagen. Nun, wenn alles so geht, wie es mir im Sinn liegt, werde ich sie bald wiedersehen.’
     
    Er saß auf und ritt auf den Wald zu.
     
    „Wir werden erst gegen Abend bei Tamantes vorsprechen“, sagte er zu dem Adler, der die ganze Zeit ruhig auf seinem Arm gesessen hatte. „Dann werden wir sehen, was uns die Z u kunft bringt.“
     
    Seit Raigos Begegnung mit Phägor, dem Greifen, waren sieben Jahre vergangen. Das Gold Phägors hatte Raigo in die Lage versetzt, sich wieder vernünftig auszustatten. Danach hatte er seinen Plan, zu Tamantes zu gehen, fallen lassen und war ohne festes Ziel durch die Lande gezogen. Drei Jahre lang hatte er im Dienst eines Für s ten gestanden, dessen Land ständig von Räuberbanden aus den Bergen heimg e sucht wurde, allerdings hatte er sich dort Neskon genannt.
    Raigo hatte den Mannen des Fürsten geholfen, die Bedrohung durch die Strolche in Gre n zen zu halten. Sie hatten nach und nach fast das gesamte Gesindel aufgeri e ben, so daß zum Schluß kaum noch Überfälle stattfanden.
    Raigos Mut und seine hervorragenden Fähigkeiten als Schwertkämpfer hatten ihm die Ac h tung seines Herrn und die Liebe und Verehrung des Volkes eingetragen. Als Raigo jedoch merkte, daß der Fürst hoffte, er würde seine Tochter heiraten, war er wieder aufgebrochen. Zwar war das Mädchen nicht häßlich gewesen, aber er liebte sie nicht, und sein unruhiges Blut wollte sich nicht dareinfinden, sein Leben an der Seite einer zwar hübschen, aber e t was langweiligen
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