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Der glückliche Tod

Der glückliche Tod

Titel: Der glückliche Tod
Autoren: Albert Camus
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Protagonisten zu enden. «Sehnen nach Tod und Sonne» liest man in einem Plan, «Sehnen», aber nicht mehr. In einem anderen Plan wird der Tod anscheinend herausgefordert, steht jedoch am Ende des ersten Teils: «Letztes Kapitel : Abstieg zur Sonne und zum Tod (Selbstmord — natürlicher Tod).» Ein bemerkenswerter Zug: Sonne und Tod in Beziehung zueinander. Sobald sich an die Stelle des sinnlichen Bildes der Sonne der moralische Mythos des Glückes schiebt, ist ein entscheidender Schritt auf die endgültige Fassung hin getan. Man kann diesen Schritt auf den Monat August 1937 und die folgende Tagebucheintragung datieren: «Roman: der Mann, der erkannt hat, daß man reich sein muß, um zu leben, der sich ganz dieser Eroberung des Geldes gewidmet hat, dem es gelingt, der glücklich lebt und stirbt». Zum ersten Mal trifft man in den «Tagebüchern» auf ein regelrechtes Resümee von «Der glückliche Tod», und zum ersten Mal auf das Wort Roman.
     
    Das Leitmotiv des Romans ist von nun an deutlich erkennbar: die Fabel illustriert die Umkehrung des Sprichworts «Geld macht nicht glücklich». Das Glück, welches das Geld verschafft, wird zum Hauptthema, wie aus den ersten Zeilen der Eintragung vom 17. November 1937 eindeutig hervorgeht:
     
    «17. November «Wille zum Glück.»
    3. Teil. Verwirklichung des Glücks.»
     
     Aber nun kommt die Gestalt des Zagreus hinzu, der zunächst nur der «Krüppel» ist, um Mersault über das Verhältnis von Geld und Zeit aufzuklären und ihn die Wahrheit, die in einer anderen Redensart steckt, entdecken zu lassen: Zeit ist Geld. Die ebenfalls zutreffende Umkehrung dieser Formel — Geld ist Zeit - wird zu einem Grundbestandteil seiner Lebenskunst. Davon zeugt auch der letzte Abschnitt der Eintragung vom 17. November:
     
    «Für einen Menschen von «guter Herkunft» heißt glücklich sein, das Schicksal aller Menschen auf sich nehmen, und zwar nicht mit dem Willen zum Verzicht, sondern mit dem Willen zum Glück. Um glücklich zu sein, braucht es Zeit, viel Zeit. Auch das Glück ist ein langes Sich-Gedulden. Die Zeit jedoch wird uns von der Notwendigkeit des Geldverdienens gestohlen. Die Zeit ist käuflich. Alles ist käuflich. Reich sein heißt Zeit haben zum Glücklichsein, wenn man dessen würdig ist.»
     
    Die verschiedenen Materialien zu dem Roman gruppieren sich also um das Begriffspaar von der verloRenén und der gewonnenen Zeit. Die verloRené Zeit wird zu der Zeit der Armut, der Arbeit, des Alltagslebens: das Kapitel, das dem Leben Mersaults gewidmet ist, erhält den Titel « Die Zeit töten», ein Titel, der ebenso auf das Verhältnis mit Marthe wie auf die Reise nach Mitteleuropa zutrifft. Die Ermordnung Zagreus' setzt dieser jämmerlichen Odyssee durch die verloRené Zeit ein Ende. Die gewonnene Zeit dagegen wird zu der Zeit im «Haus vor der Welt» und zur Zeit der Flucht in die Natur. Auf einem handgeschriebenen Blatt liegt eine dreiteilige Planskizze vor, in der das Anfangskapitel eines jeden Teils dem Thema der Zeit gewidmet ist. Beginnend mit «Die Zeit töten», sieht der erste Teil sieben Kapitel vor, die das Leben Mersaults von den Ereignissen in Algier bis zur Rückkehr aus Prag umfassen (das entspricht den Seiten 1-75 der Endfassung): «I von «Die Zeit töten»», schreibt Camus, «bis «Er fühlte sich geschaffen für das Glück».» Diesen letzten Satz findet man kaum verändert auf S. 75 der Endfassung wieder: «. . . begriff er endlich, daß er für das Glück geschaffen war.»
     
    Das Anfangskapitel des zweiten Teils trägt den Titel: «Zeit gewinnen» — es handelt sich um das Kapitel über das «Haus vor der Welt» — und das Anfangskapitel des dritten Teils die Überschrift «Die Zeit». Im Hinblick auf Proust könnte man sagen, daß der Roman von der «verloRenén Zeit», der der Arbeit, über die «gewonnene Zeit», die des Müßiggangs bei den blühenden jungen Mädchen im «Haus vor der Welt», fortschreitet zur «wiedergefundenen Zeit», der Zeit der Übereinstimmung mit der Natur in der Einsamkeit und im Tode, was eine kurze Notiz auf dem Manuskript für die letzte Seite so zusammenfaßt: «Zeit.» «Er nimmt zuerst alles mögliche in Angriff und gibt dann alles auf. Tut absolut nichts. Uberläßt sich der Zeit und besonders den Jahreszeiten (Tagebuch!).» Die Zeit —ursprünglich nur Zeichen des Glücks — ist zum Hauptthema des Romans geworden, sie gibt ihm sein Gerüst und seinen Rhythmus. Der Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit in
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