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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe
Autoren: Unknown
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glatt war. Erst dann stieg er aus dem Sattel. Er streichelte ihren weichen Kopf und blies ihr Luft in die bebenden Nüstern, bis sie sich schüttelte.
    Ihr Maul blutete, war über Nacht von der Gebißstange wund gescheuert. Er beruhigte sie, sagte, daß sie schlimm dran sei, und er verstehe das gut, er sei ja auch schlimm dran, aber es werde schon wieder werden. Dann lehnte er sich gegen ihre linke Schulter, und als sie das Gewicht auf d ie andere Seite verlagerte, hob er ihren Fuß hoch. Er war heiß und empfindlich, und Blut lief an einem pfeil f örmigen Schiefersplitter entlang, den sie sich eingetreten hatte. Nachdem er den Splitter mit seinem Klappmesser entfernt hatte, war sie erleichtert, doch eine Verletzung blieb. Er setzte ihren Huf wieder ab und brachte sie mit viel gutem Zureden dazu, sich von ihm weiterführen zu lassen.
    Jetzt hörte er das Quietschen des Holzrahmens, in dem der Blasebalg hing, und das Klirren der Kette, wenn sich das Leder dehnte und wieder zusammenzog und fauchend Luft in die Esse pumpte. Auf dem Boden der Schmiede lagen Pflugschare und Sicheln. Unter der Werkbank wuchs ein Streifen Gras, und darauf lagen Hämmer, Meißel und Formeisen wild durcheinander.
    Der Schmied stand über dem Feuer, den Blick unverwandt auf das Werkstück und die blaugelbe Flamme gerichtet, die aus der Esse an dem Metall züngelte. Dann drehte er sich um und schreckte das Metall mit kaltem Wasser ab, ließ zischenden Dampf aufsteigen. Der Schmied, ein buckliger Deutscher, hatte den Eisenhaken gefertigt, der bei ihnen zu Hause im Kamin hing. Er hatte ihren Pflug geschärft und die Stricknadeln seiner Mutter hergestellt.
    Das eine Ende der Veranda war etwas zurückgesetzt und von Fliederbüschen umwuchert; am anderen Ende war ein langer Stall angebaut, und aus dem Kamin eines Räucherhauses stiegen graue Rauchwirbel auf. Ein Junge, nicht viel jünger als Robey , lief auf den Händen über die Veranda, und die losen Hosenträger seines Jeans-Overalls schleiften auf den Bodenbrettern. Aus einer Hosentasche , die falsch herum auf sein Hosenbein genäht war, ragten Lakritzestangen.
    Das zischende Abschrecken der Metallteile machte die Luft stumpf, als der Schmied jetzt seine Zange noch einmal ins Abschreckbecken tauchte. Der Handstandjunge gab den Weg frei, als Robey die Veranda betrat, und folgte ihm ins Haus. Im Raum hing der intensive Geruch von Melasse und Kaffee und von geräuchertem Schinken und Speck.
    Der alte Morphew blickte nur kurz von seinem Kassenbuch auf, als die Tür zufiel, reagierte aber mit keiner Geste der Begrüßung. Er war viel älter, als Robey ihn von ihrer letzten Begegnung in Erinnerung hatte, die Brust war eingefallen, und der Körper wirkte ausgemergelt. Morphew röchelte, als hätte er Tuberkulose. Sie blickten einander fest in die Augen.
    »Mister Morphew, Sir«, begann Robey , und in der Art, wie er den Namen aussprach, lag die Frage: Erinnern Sie sich an mich? Wissen Sie noch, wer ich bin?
    Morphew löste die Hand von dem Bohlentisch und stopfte sich eine Pfeife. Um den Schmerz in seiner entzündeten Schulter zu lindern, hob er den Arm hoch über den Kopf, streckte ihn vor und ließ ihn wieder sinken. Hier im Laden klangen die Schläge des Schmiedehammers so gedämpft wie das Ticken einer Uhr.
    »Nimm dir von den Keksen, und setz dich in den Lehnstuhl«, forderte Morphew ihn auf und deutete mit dem Pfeifenstiel auf die Keksdose. Dann ließ er Melasse aus einem Fäßchen in eine Blechtasse fließen. Der schwarze Hahn an dem Faß leckte, und auf dem Boden unter dem Faß war ein großer dunkler Fleck zu sehen.
    Robey nahm die Tasse, die Morphew ihm reichte, und tunkte einen Keks darein. Er hatte Hunger und verspürte ein Ziehen im Magen, das auch nicht aufhörte, als er einen zweiten Keks aß. Morphew schaute ihm über den Tisch hinweg zu, und als sich ihre Blicke trafen, erzählte Robey , was alles passiert war und warum ihn seine Mutter losgeschickt hatte, und fragte ihn, wo die heftigsten Kämpfe stattfänden.
    »Ich bin sicher, daß mein Vater dort ist«, fügte er an.
    »Hab noch gar nicht gewußt, daß Thomas Jackson tot ist«, sagte der alte Morphew und zupfte sich am Kinn. »Thomas Jackson tot? Kann ich kaum glauben. Ich weiß nicht, ob ich das in meinen Kopf reinkriege.«
    »Mutter sagt, er ist tot.«
    »Deine Mutter weiß so was«, meinte Morphew. »Sie hat die Gabe, Dinge zu sehen. Obwohl – eins muß ich da schon sagen.«
    »Was denn?«
    »Es gehört nicht viel dazu,
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