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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator
Autoren: Philipp Vandenberg
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als Schritte ihn aufhorchen ließen. Da war sie wieder, die Gestalt von gestern! Und wieder blickte sie furchtsam um sich, ob niemand sie beobachtete. Vitellius lief die Treppe hinab und heftete sich mit langen Schritten an ihre Fersen. Das Hämmern wurde lauter und lauter – kein Zweifel, er bildete sich das nicht nur ein. Wie in der Nacht zuvor bog die Gestalt nach links ab. Diesmal war Vitellius sofort zur Stelle, er sah gerade noch wie, keinen Steinwurf von ihm entfernt, die Frau im Erdboden verschwand.
    Zunächst glaubte er zu träumen. Schweiß stand auf seiner Stirn. Beim Jupiter! Nicht einmal als Kind hatte er an Gespenster geglaubt. Schließlich ging er über Pinienwurzeln stolpernd geradewegs auf die Stelle zu, wo die Gestalt von der Erde verschluckt worden war. Ein Loch tat sich vor ihm auf, kaum größer als ein Mühlstein, kühle Luft schlug ihm entgegen. Abgetretene Steinstufen führten nach unten. Vitellius lauschte. Das Hämmern hatte aufgehört. Er hörte ferne Stimmen.
    Ohne zu zögern, setzte der Gladiator vorsichtig einen Fuß vor den anderen und tastete sich behutsam nach unten. Die Treppe war schmal, kaum mehr als eine Schulter breit, und führte steil in die Tiefe. Zwanzig, dreißig Stufen mochte er hinter sich gebracht haben, als ein matter Lichtschein eine Art Höhle zu erkennen gab. Vitellius hielt inne, die Stimmen waren weit entfernt. In die Wand eingemauert flackerte ein Öllämpchen und gab vier Gänge zu erkennen, die in alle Himmelsrichtungen abzweigten. Der Eindringling horchte in jede der Wandöffnungen hinein, aus der einen drangen deutlich Geräusche.
    Die Luft war stickig und trocken, das Atmen machte Mühe. Vitellius tastete sich den Gang entlang, der an Höhe zunahm. Links und rechts hatte man waagrechte Mauernischen in den Tuffstein geschlagen, einige waren zugemauert, trugen eingedrückte Schriftzeichen oder Münzen. Da setzte das Hämmern wieder ein. Der Gladiator hielt inne, das Geräusch war jetzt deutlich lauter. Vitellius glaubte Schritte zu hören, die näher kamen. Hastig zwängte er sich in eine der waagrechten Wandöffnungen, er wagte nicht zu atmen. Jetzt näherte sich das Flackern eines Öllämpchens.
    Aus dem diffusen Schein löste sich eine Frauengestalt, über dem Kopf trug sie einen Schleier. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Vitellius ihr Gesicht; aber dieser Augenblick genügte, um den Gladiator in Unruhe zu versetzen. Irgendwo mußte er dieses Gesicht schon einmal gesehen haben. Und noch ehe er sich versah, war die Frau verschwunden, waren ihre Schritte verhallt. Der Gladiator verließ sein enges Versteck und ging, sich mit beiden Händen an den Wänden des Ganges orientierend, weiter in die Richtung, aus der die Arbeitsgeräusche drangen. Ein schwacher Lichtschein kündigte die unterirdische Baustelle an. Unmittelbar hinter einer neuerlichen Wegekreuzung gelangte er zu einer Treppe, die ein weiteres Stockwerk tiefer führte. Der Lärm, den man von unten heraufhörte, vermittelte den Eindruck hektischer Betriebsamkeit. Hinter einem Mauervorsprung beobachtete Vitellius an die Wand gepreßt, wie fünf halbnackte Männer mit Hacken und Meißeln weitere Nischen in die Wände schlugen. Auf dem Boden standen Krüge und Geschirr, das die Unbekannte offenbar kurz zuvor gebracht hatte. Die Männer verrichteten schweigend ihre Arbeit.
    Vitellius wußte selbst nicht, was er hier unten erwartet hatte; aber irgendwie war er enttäuscht. Gewiß war er in eines der Labyrinthe geraten, die – wie in Rom zu hören war – von den Christiani entlang der Via Appia angelegt wurden, um ihre Toten zu bestatten. Fasziniert hatte den Gladiator jedoch das Gesicht der Unbekannten. Während er tastend seinen Heimweg suchte, stand dieses Gesicht vor seinen Augen. Es zog ihn magisch an, und er ahnte, daß er der Frau mehr als einmal begegnet war.
    Am folgenden Tag fragte der Gladiator seinen Sekretär Cornelius Ponticus, ob die Sekte der Christiani jetzt erlaubt oder verboten sei.
    »O Herr«, antwortete dieser, »sie vermehren sich wie die Hasen, obwohl der Kaiser ihrem Glauben nicht sehr tolerant gegenübersteht.«
    »Es gibt also noch immer Christenprozesse?«
    »Gewiß, Herr. Wer sich weigert, vor dem großen Standbild des Sonnengottes zu opfern, das die Gesichtszüge Vespasians trägt, wird gekreuzigt.«
    »Und die Christiani verweigern dieses Opfer?«
    »Die meisten. Sie hängen nicht sehr am Leben. Ihr Reich, behaupten sie, sei nicht von dieser Welt.«
    »Ich weiß«,
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