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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry
Autoren: Paul Gallico
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etwas beruhigt hatte. «Ich weiß gar nicht, was mit Ada ist. Es ist furchtbar. Sie liegt wie tot da und sagt kein Wort.»
    Mrs. Schreiber ging an das Bett, in dem die kleine, dürre Gestalt lag, die jetzt noch kleiner und dürrer wirkte als sonst, versuchte mehrmals, sie aus ihrer Bewußtlosigkeit zu erwecken, und lief dann, da es ihr nicht gelang, zu ihrem Mann und rief Dr. Jonas, den Hausarzt, an.
    Der Arzt kam, tat alles, was er für notwendig hielt, und sagte dann zu den Schreibers: «Die Frau hat eine starke seelische Erschütterung erlebt. Wissen Sie, was das gewesen sein könnte?»
    «Nur allzu gut», erwiderte Mr. Schreiber, und er erzählte dem Arzt die ganze Geschichte, deren Höhepunkt die Szene mit dem Vater war, der den Jungen um keinen Preis haben wollte.
    Der Arzt nickte und sagte: «Ja, jetzt verstehe ich. Nun, wir werden abwarten müssen. Manchmal hilft die Natur auf diese Weise, das Unerträgliche erträglich zu machen. Sie scheint ziemlich kräftig zu sein, und ich glaube, es wird nicht allzu lange dauern, bis sie aus ihrer Bewußtlosigkeit wieder erwacht.»
    Aber es dauerte eine Woche, bis der Nebel, der sich auf Mrs. Harris gelegt hatte, sich zu lichten begann, und den Anstoß dazu gab ein unerwartetes Ereignis.
    Die Schreibers konnten das Warten kaum ertragen, denn sie brannten darauf, Mrs. Harris zu sagen, was sich inzwischen ereignet hatte, weil sie fest glaubten, daß das, wenn sie erst wieder bei sich wäre, zu ihrer schnellen Genesung beitragen würde.
    Es begann mit einem Telefonanruf für Mrs. Harris eines Tages kurz vor dem Mittagessen, den Mrs. Schreiber entgegennahm. Mr. Schreiber war ebenfalls anwesend, denn da sein Büro sich ganz in der Nähe seiner Wohnung befand, kam er meistens zum Mittagessen nach Hause. Eine sehr vornehme englische Stimme sagte: «Entschuldigen Sie bitte, könnte ich vielleicht Mrs. Harris sprechen?»
    «Ach, ich fürchte, das geht nicht», antwortete Mrs. Schreiber. «Sie ist nämlich krank. Wer ist dort bitte?»
    «Krank, sagen Sie? Hier spricht Bayswater — John Bayswater aus Bayswater, London. Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes?»
    Mrs. Schreiber bedeckte die Sprechkapsel mit der Hand und sagte zu ihrem Mann: «Es ist jemand für Mrs. Harris. Ein Mr. Bayswater.» Dann sagte sie ins Telefon: «Sind Sie ein Freund von ihr?»
    «Ich glaube, ich darf mich als solchen betrachten», antwortete Mr. Bayswater. «Sie hat mich gebeten, sie anzurufen, wenn ich wieder einmal nach New York käme, und mein Arbeitgeber, Marquis de Chassagne, der französische Botschafter, wird gewiß gern hören wollen, wie es ihr geht. Ich bin sein Chauffeur.»
    Mrs. Schreiber, die sich jetzt wieder an ihn erinnerte, bedeckte von neuem die Sprechkapsel mit der Hand und sagte ihrem Mann schnell, wer es war.
    «Laß ihn herkommen», sagte Mr. Schreiber. «Was kann das schon schaden? Vielleicht könnte es ihr sogar guttun. Man weiß das nie.»
    Zwanzig Minuten später erschien Mr. Bayswater in seiner eleganten grauen Whipcorduniform, die schicke Chauffeurmütze in der Hand, in Schreibers Wohnung und wurde von ihnen in Mrs. Harris’ Schlafzimmer geführt, wo die besorgte und, seit Mrs. Harris krank war, ständig schnüffelnde Mrs. Butterfield im Hintergrund saß.
    Mrs. Harris hatte leichte Nahrung zu sich genommen, Tee und Butterbrot oder Biskuit, aber sie schien trotzdem noch immer niemanden um sich herum zu erkennen.
    Mr. Bayswater hatte selber eine Zeit großer Sorgen durchgemacht, und diese Sorgen hatten ihn auch nach New York geführt. Der so vollkommene Rolls-Royce, der prächtigste, den er je gefahren hatte, gab seit kurzem ein geheimnisvolles Geräusch von sich, ein kaum vernehmbares Geräusch, das nur das geübte Ohr von Mr. Bayswater hörte. Es klang ihm wie der Donner eines Sommergewitters und machte ihn völlig verrückt. Der Gedanke, daß so etwas bei einem Rolls-Royce passieren konnte, war ihm unerträglich, und das um so mehr, als er die Ehre gehabt hatte, ihn selber auszusuchen und zu testen.
    Trotz all seinem Wissen, seiner Geschicklichkeit und seiner jahrelangen Erfahrung hatte er nicht herauszukriegen vermocht, woher dieses Geräusch kam. Und das hatte ihn so beunruhigt, daß er den Wagen nach New York gebracht hatte, damit man ihn in der Rolls-Royce-Werkstatt auf Herz und Nieren untersuchte. Er hatte den Wagen dort abgeliefert und glaubte, daß ein Schwätzchen mit Mrs. Harris ihn von seiner Sorgenlast etwas befreien werde.
    Aber jetzt, da er auf dieses blasse
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