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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition)
Autoren: Jennifer E. Smith
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Nervosität, einer Spur Vorsicht und Wachsamkeit – lag eine so tiefe Traurigkeit, dass es sie erschreckte. Sie lag in seinen Augen, die so viel älter schienen als der Rest von ihm; in der einstudierten Leere seines Blicks.
    Natürlich hatte sie über ihn gelesen und glaubte sich zu erinnern, dass er keiner dieser Stars war, die ständig in der Entziehungsklinik ein und aus gingen. Soweit sie wusste, hatte er weder Geldprobleme noch Albtraumeltern. Er war auch nicht wie einer dieser armen Kinderstars aufgewachsen, sondern erst vor ein paar Jahren groß rausgekommen. Sie hatte gehört, er hätte seinen sechzehnten Geburtstag gefeiert, indem er das gesamte Ensemble seines letzten Films zum Skifahren in die Schweiz geflogen hatte. Und er war mit einigen der begehrtesten Jungschauspielerinnen Hollywoods liiert gewesen.
    Graham Larkin hatte keinen Grund, traurig zu sein.
    War er aber , dachte Ellie.
    Vor der Eisdiele war er stehen geblieben und schien etwas zu überlegen. Zu ihrer Überraschung schweiften seine Augen noch einmal zu ihr herüber, und sie lächelte reflexartig. Doch er sah sie nur einen Moment lang an, ohne unter der tief ins Gesicht gezogenen Cap eine Miene zu verziehen, und das Lächeln entglitt ihr wieder.
    Dann zog er die Schultern hoch und trat auf die Ladentür zu. Ellies Blick traf Quinns durchs Fenster. Sie formte mit den Lippen Worte, die Ellie nicht verstand, und starrte ungläubig zu ihr her, dann wandte sie sich wieder zur Tür, die Klingel bimmelte, und Graham Larkin ging hinein.
    Erst jetzt tauchten die Fotografen auf, anscheinend aus dem Nichts – es waren sechs, alle mit riesigen Objektiven und Taschen über der Schulter – und alle eilten ans Fenster, wo sie hektisch durch die Scheibe fotografierten. Graham Larkin drehte sich im Laden nicht einmal um.
    Ellie blieb noch einen Augenblick stehen, ihr Blick wanderte hin und her zwischen dem Fenster, durch das sie sah, wie Quinn Graham anlächelte, und den Fotografen, die einander den besten Blickwinkel streitig machten. Die Passanten auf der Straße wurden geradezu magnetisch angezogen von der unwiderstehlichen Mischung aus Prominenz und Spektakel. Doch als die Menge der Schaulustigen wuchs, trat Ellie ein paar Schritte zurück und floh an der Seite des Gebäudes entlang, ehe jemand ihr Verschwinden bemerkte.

  
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Von:            [email protected]
Gesendet:   Samstag, 8. Juni 2013 13:24
An:              [email protected]
Betreff:       Re: meine Vorstellung von Glück
Unbekannte Orte besuchen.

zwei
    Seit Wochen hatte Graham sich diesen Augenblick ausgemalt. Und als die kleine Stadt nun tatsächlich genauso aussah wie in seiner Vorstellung – mit ihren Ladenzeilen und der salzigen Brise in seinem Rücken –, hatte er das Gefühl zu träumen.
    Die Sonne war von einem dünnen Wolkenfilm verschleiert, und sein Schädel pochte. Er war mit der Nachtmaschine nach Portland, Maine, geflogen und hatte wie üblich keine Sekunde geschlafen. Als Kind war Graham nie geflogen, und selbst in der ersten Klasse oder in Privatjets war er in der Luft angespannt und nervös, nicht an diese Art des Reisens gewöhnt, ganz egal, wie viel Zeit er inzwischen im Flugzeug verbrachte.
    Aber das spielte jetzt keine Rolle. Als er in den Laden trat, war er so munter wie schon ewig nicht mehr, hellwach und erfüllt von brennender Gewissheit. So hatte er sich lange nicht gefühlt. In den letzten beiden Jahren, als sein Leben ihm immer fremder wurde, war Graham nachgiebig wie Knete geworden. Er war es gewohnt, gesagt zu bekommen, was er tun, wie er sich verhalten, wen er treffen und was er sagen sollte, wenn er die Leute dann traf. Scheinbar entspannte Plaudereien auf Talkshow-Sofas liefen genau nach Skript ab. Termine machten Assistenten für ihn. Seine Kleidung suchte ein Stylist aus, der ihn ständig in Röhrenjeans und T-Shirts mit V-Ausschnitt zwängen wollte. In so was hätte Graham sich vorher nicht mal tot erwischen lassen.
    Aber vorher fühlte sich an wie vor einer Million Jahren.
    Und jetzt war nachher .
    Hätte ihm jemand vor zwei Jahren erzählt, mit siebzehn würde er allein wohnen – in einem Haus, das drei Mal so groß war wie sein Elternhaus, inklusive Pool und Billardzimmer und der dringend notwendigen supermodernen Alarmanlage –, hätte Graham laut gelacht. Aber wie alles andere, was auf seine erste Filmrolle und den unerwartet ausgelösten Medienrummel folgte, wirkte das wie der logische nächste
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