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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition)
Autoren: Jennifer E. Smith
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»Ich helfe dir gerne.«
    »Deine Technik ist noch verbesserungsfähig«, sagte sie, war aber ehrlich amüsiert, und als die Maskenbildnerin zurücktrat, um ihre Arbeit zu prüfen, holte er tief Luft. Um sie herum bereitete sich das Filmteam auf die heutige Szene vor, und die Betriebsamkeit versprach einen erfolgreichen Tag. In diesen Momenten, weit weg von den Fans und bevor die Kameras auf ihn gerichtet waren, pulste eine seltsame Energie durch seine Adern, und er wusste mit unerschütterlicher Sicherheit, es würde ein guter Tag werden.
    Auf dem Weg aus der Maske zum wartenden Mick schaute Graham hoch zum Himmel, blass und mit Vögeln gesprenkelt, wie ein Negativbild des gestrigen Feuerwerks. Sein Blick schweifte nach unten zum Hotel, und er dachte an gestern Abend, als er dort gestanden und eine Horde Kinder beobachtet hatte, die Wunderkerzen wie Zauberstäbe schwangen und sich durch die Menge schlängelten.
    Es war genau so, wie er sich den vierten Juli hier vorgestellt hatte, genau wie in seiner Kindheit, aber gleichzeitig hatte er auch einfach an allem vorbeilaufen wollen, einfach losgehen und schauen, wo er landete. Den ganzen Tag war er unterwegs gewesen, im Boot, im Bus, und irgendwie schien es ein passendes Ende seiner Zeit in Henley, einfach ziellos loszuziehen, nach Norden oder Süden, bis er sich so richtig verlaufen hatte.
    Es war still geworden, als das Orchester die Instrumente sinken ließ, und man spürte die Vorfreude der Menge. Graham schaute nach oben und sah nichts weiter als die ersten blassen Sterne. Das Telefon klingelte in seiner Hand, und er schaute darauf. Er hatte es beim Rausgehen gegriffen, sich aber noch nicht aufgerafft, einen der entgangenen Anrufe zu beantworten. Er war nicht in der Stimmung, mit Anwälten, Agenten oder Presseleuten zu reden. Das gehörte alles zu L.A., und noch war er hier in Henley.
    Aber als er das Handy gerade abschalten wollte, erkannte er die Nummer seiner Mutter.
    »Hallo«, meldete er sich. Dann erst fiel ihm ein, dass sie ihn womöglich in den Nachrichten gesehen hatte und deshalb anrief. Das war ihm zuerst gar nicht in den Sinn gekommen; seine Mutter und seine Leinwandkarriere waren vollkommen gegensätzliche Aspekte seines Lebensspektrums, und sie zusammen zu denken, war so schwer, wie etwas sehr Verschwommenes scharf zu stellen.
    »Hi«, sagte sie, dann hörte er Flüstern. »Moment«, sagte sie zu Graham, der in Richtung der vielen Decken ging, die ein Karomuster aufs Grün malten. Es war so dunkel, dass ihn kaum noch jemand erkannte, auch wenn manche seine Schritte mit zusammengekniffenen Augen verfolgten. Im Hörer erklangen Gelächter und ein Klopfen, dann wurde plötzlich alles verstärkt, weil sie ihn auf Lautsprecher gestellt hatte. »Dein Vater ist auch hier.«
    Graham hielt sich das freie Ohr zu, um besser hören zu können, und ließ sich am Rand des Grüns ins kühle Gras sinken. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er, obwohl er nicht sicher war, ob er die Antwort hören wollte. Doch zu seiner Überraschung lachte sein Mutter wieder.
    »Gibt es Feuerwerk?« Sie schrie beinahe, weil es bei ihr im Hintergrund so laut war – die Grillparty bei den Nachbarn. Er sah sie vor sich, Dad im üblichen blauen Polohemd, Mom im rot-weiß gestreiften T-Shirt, wie sie sich beide übers Telefon beugten.
    »Wo?«, fragte Graham verwirrt zurück. »Bei euch?«
    »Nein«, sagte sein Vater. »Bei dir. Wir haben heute Morgen nachgeschaut, wann bei euch in Maine die Sonne untergeht. Gibt es schon Feuerwerk?«
    »Noch nicht«, antwortete Graham, doch im selben Moment schoss die erste Rakete wie eine Sternschnuppe über den Himmel. »Oder doch. Gerade eben ist es losgegangen.«
    »Hier dauert es noch ein paar Stunden«, sagte seine Mutter. »Aber wir wollten es mit dir anschauen.«
    Graham lächelte und wusste nicht, was er sagen sollte. Dass sie die Zeit des Sonnenuntergangs herausgefunden und dann gewartet hatten, bis es hier sicher dunkel war, um ihn genau dann anzurufen – das kam so unerwartet, dass er gar nicht reagieren konnte.
    »Weißt du noch, das Jahr, wo wir vom Park aus zugeschaut haben?«, fragte Dad. »Und du dir an einer Insektenkerze den Finger verbrannt hast?«
    Graham lachte. »Und weißt du noch, als wir am Strand waren?«
    »Und deinem Vater die Wassermelone vom Felsen gefallen ist?« Mom klang sehr amüsiert.
    »Moment mal«, wehrte sich Dad, allerdings lachend. »Die Möwe hatte sich vollkommen hinterhältig angeschlichen.«
    Über ihm
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